Über die Verbesserungswürdigkeit von Verbesserungen
Ich habe im Laufe meines Studiums acht Hausarbeiten geschrieben.
Zu einer davon bekam ich einen kurzen mündlichen Kommentar, nachdem mir nach dem Empfang der Note “3” die Frage entrutschte, ob sie denn wirklich so schlecht gewesen sei.
Zu einer weiteren bekam ich sechs Zeilen eines handschriftlichen Kommentars.
Erst bei der Abholung der Note meiner allerletzten Hausarbeit wurden mir in einem ausführlichen Gespräch die Gründe dafür dargelegt, warum sie nur mit einer “2” benotet worden war.
Im Laufe dieses Gesprächs hatte ich mehrere “Aha!” Erlebnisse, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen muss, weil es mir um etwas umfassenderes geht, nämlich das gängige Procedere bei der Abhandlung individueller Hausarbeiten.
Alle Fachbereiche, denke ich, bieten für das Grundstudium Kurse an, in denen man lernt, wie man Hausarbeiten so verfasst, dass der Prüfer sie nicht als Beleidigung seiner akademischen Ehre auffasst, und die meisten Fakultäten und viele Dozenten haben ganz eigene Auffassungen davon, wie zum Beispiel richtig zitiert wird, aber auch das ist nur ein kleiner, nervender Aspekt des hiesigen akademischen Ausbildungsprozesses. Dazu zählt auch das seltsame Phänomen innerhalb meiner eigenen Fakultät, dass die einen Dozenten eine Arbeit benoten und zurückgeben, während andere nur die Note bescheinigen und die Arbeit einbehalten, mit dem Hinweis, das sei so üblich. Ich muss nicht verstehen, warum das in einem Büro “so üblich” ist und zwei Meter nebendran nicht.
Denn was mich so richtig stört, ist das praktische Nichtvorhandensein von Feedback. Ich schreibe eine Hausarbeit und erhalte eine Note darauf, aber wenn ich nicht gezielt nachfrage, wird man mir nicht einfach so erzählen, wie die Note begründet worden ist. Ist das eine Art Test? Eine Art Sieb, mit dem man die Spreu vom Weizen trennen will? Denn nur wirklich motivierte Studierende werden nachfragen und auf Anfrage Verbesserungsvorschläge für künftige Arbeiten erhalten, worauf sie diese verbessern und entsprechend höhere Noten erhalten können. “Hoffentlich-ist’s-bald-vorbei” Studenten wie meine Wenigkeit kommen erst am Ende ihres Studiums auf die Idee, nach sowas zu fragen, und ich wage zu behaupten, dass ich in der Mehrheit bin.
Durch das Nichtaussprechen solcher Informationen wird jedenfalls die akademische Leistungsfähigkeit und gegebenenfalls die Motivation der Studierenden gedämpft, denn “selber Nachfragen zeugt von Intelligenz” hin oder her, ich erwarte eigentlich von meinem Dozenten, dass er von sich aus auf meine Schwächen als Verfasser eingeht und sie mir erläutert, anstatt sich die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen. Ein Sprechstundentermin dauert in der Regel 15 Minuten, und ich denke, das ist genug Zeit, die gegebene Note darzulegen.
Aber wenn man im Magisterstudiengang unterwegs ist, dann macht das eigentlich gar nichts aus. Die einzige Note, die für den Abschluss von Bedeutung ist, ist die Note auf die Examensarbeit, alles andere spielt überhaupt keine Rolle. Wenn ich mich denn all die Jahre gerade so mit der Parole “4 gewinnt” durch die Seminare gewurschtelt habe, dann aber in einem Anflug von Genie eine 1A Magisterarbeit hinlege, dann ist das ja toll, aber der umgekehrte Fall wäre tragisch, denn eigentlich würden ja über Jahre gesammelte, mehrheitlich sehr gute Seminarsnoten mehr über meine Fähigkeiten aussagen, als die Abschlussarbeit allein, denn es ist ja nur eine Arbeit, und Scheiße passiert halt.
Aber egal, in Bezug auf die geschilderte Verbesserungswürdigkeit von Verbesserungen wird die Situation in der folgenden Zeit kritischer, und das liegt daran, dass sich Bachelor und Master Studiengänge durchgesetzt haben – und in diesen Studiengängen zählt jede Note. Da wird es wesentlich wichtiger, ein gutes Feedback zur Arbeit zu erhalten, um Wiederholungsfehler zu vermeiden.
Aber vielleicht wird auch das Teil eines Aussiebeverfahrens, denn mir scheint, dass das System elitisiert wird. Wie erfuhr ich von einem meiner Dozenten der Anglistik?
“Sie sind verpflichtet, bestimmte Module (Seminare) zu belegen, und wenn sie eines der Pflichtmodule nicht schaffen, dann sind Sie raus. Auf die Art und Weise hätte ich nie meinen Doktor geschafft!”
Ich habe mir nicht selbst eine Übersicht verschafft, von daher kann ich nicht sagen, ob die Aussage so absolut stimmt. Aber es klingt schon so ein bisschen nach Zwangsjacke, zumindest im Vergleich zu den laissez-faire Magisterzeiten, wo man seinen Stundenplan bauen konnte, wie es Spaß machte. Die Möglichkeiten, sich auf breiter Basis Wissen anzueignen, das vielleicht auch mal ein bisschen außerhalb der offiziellen Einschreibung liegt, fällt jedenfalls flach, und das finde ich persönlich sehr schade.