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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

12. Oktober 2023

Sonntag, 12.10.2003 – Bewaffnete Aufklärung

Filed under: Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 8:53

Der erwartete Muskelkater ist ausgeblieben. Entgegen meiner Befürchtung habe ich keinerlei Schmerzen am Morgen und kann problemlos vom Boden aufstehen. Mir steckt nur ein gewisses Erschöpfungsgefühl in den Gliedern. Aber das soll mich nicht stören. Am Montag ist Feiertag, „Bunka no Hi“ („Tag der Kultur“) glaube ich. Also auch morgen kein Unibetrieb und ich kann mich vollständig ausruhen.

Heute machen wir (Melanie und ich) eine Erkundungstour durch die nähere Umgebung innerhalb der Stadt. Das heißt, eigentlich wollten wir nur einen Second-Hand-Laden finden, der mir von Sawada-sensei empfohlen worden war, aber es wird dann eine etwas größere Sache. Zum Beispiel suchen wir eine Münzwäscherei auf, um uns über Preise zu informieren. Die sind gesalzen. Wir fassen also ins Auge, zuhause zu waschen, aber zum Trocknen möglicherweise hierher zu kommen. Der Trip zu dem Selbstbedienungsladen wäre immerhin angenehmer, als ins viel weiter entfernte Kaikan zu gehen. Diese Wäscherei hier ist näher und außerdem muss ich nicht eine Stunde blöde in der Gegend herumsitzen, bis die Wäsche fertig ist. Der Zeitverlust wäre eindeutig geringer. Zumal wir viel mehr Wäsche auf einmal trocknen können, weil hier richtige Maschinen zum Waschen und zum Trocknen zu finden sind und nicht so ein Spielzeug, wie man es in den gewöhnlichen Mietwohnungen findet.

Ich will mir das Ito Yôkadô auch mal von innen ansehen und wir gehen da hin. Bei der Gelegenheit zeigt Melanie mir den Laden, wo es Schuluniformen zu kaufen gibt und man sie auch bestellen kann – ich werde eine Sonderkonstruktion brauchen bei meiner Größe. Im Kaufhaus gehen wir in die Spielwarenabteilung, weil Melanie natürlich immer darauf bedacht ist, Merchandising von „Hello Kity“ und ähnliches zu finden. Allerdings gibt es dort auch einige Spielautomaten. Ich probiere die Egoshooter aus, aber ich begreife die Bedienung nicht (weil ich den Bildschirmtext nicht schnell genug verstehen kann). Das Sturmgewehrmodell hat zwei Knöpfe, einen an der Schulterstütze (reagiert also offenbar, wenn man in Anschlag geht) und einen neben dem Abzug. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass der letztere zum Nachladen da ist, aber dem war nicht so. Außerdem findet man natürlich zusätzliches Zubehör auf der Karte (die aussieht wie Omaha Beach, aber mit Zombies und Skeletten in abgerissenen Uniformen), unter anderem ein Zielfernrohr, dass sich plötzlich einschaltet und abschaltet und ich habe nicht verstanden, wie ich es kontrolliere.

Direkt daneben steht ein Shooter mit Faustfeuerwaffe. Sieht aus wie die Kanone für die alte Playstation. Nachladen aber nicht per Knopfdruck, man muss aus dem Bildschirm rauszielen, dann geht der Typ in Deckung und lädt nach. Ich wähle den Polizisten mit der HK MP-5. Hm. Ich weiß also, wie er in Deckung geht und nachlädt, aber ich habe keinen Dunst, wie ich ihn dazu bewegen kann, aus der Deckung heraus zu gehen und etwas „Blei in den Mann zu bringen“ (wie mein Freund Michael das gerne ausdrückt). Ich vermute, dass das automatisch geht. Und das stört mich, weil die Uhr läuft. Aber gut, ich mache die ersten zehn Terroristen nieder, dann habe ich „verschossen“ (= Magazin leer). Ich ziele einige Sekunden aus dem Bildschirm raus und will weitermachen. Eine kurze Salve bricht. Und wieder leer. Was ist denn da los? Ich lade nach und sehe mir das genauer an: Diese Pappnase lädt mit der Hand jeden Schuss einzeln nach!? Bei der MP-5 wären das immerhin dreißig Schuss, und so viel Zeit habe ich nun wirklich nicht. Ist dem Designer entgangen, dass Maschinenpistolen Magazine haben, die man am ganzen Stück auswechselt und dass ein Antiterrorteam die Ersatzmunition nicht in Einzelstücken in der Hosentasche am Mann hat? Das ist ja frustrierend…

Die Neugier bewegt mich dazu, den kleinen Pachinko-Automaten zu testen. Ich kaufe zehn Bälle und lasse sie mal rollen. Ich gewinne nichts, aber das ist nicht das Problem. Ich frage mich eher ernsthaft, wie man Stunde um Stunde vor einem solchen Automaten sitzen kann, ohne Ermüdungserscheinungen? Pachinko ist mit Abstand das langweiligste Spiel, was ich je gesehen habe. Sogar die Drehscheibenautomaten in der deutschen Heimat sind spannender. Ich habe mir später allerdings sagen lassen, dass es weitaus bessere Automaten in den „echten“ Pachinko-Hallen gibt, wo die Bälle nicht mit einer Feder, sondern mit Luftdruck in die Maschine gepustet werden und man als Spieler durch die Regelung des Luftdrucks tatsächlich Einfluss auf die Kugel nehmen kann. Marc sagt, er habe in Sapporo eine Karte für ca. 30 E gekauft und das Vierfache mit nach Hause genommen.

Für die, die Pachinko nicht kennen, eine kleine Einführung: Pachinko spielt man, wie erwähnt, mit kleinen Plastikkugeln, die mittels eines Mechanismus in den aufrecht stehenden Automaten befördert werden, wo sie, abgelenkt von kleinen Metallstiften, einen mehr oder weniger zufälligen Weg nach unten nehmen. Mit viel Glück und etwas Geschick fallen die Kugeln in kleine Öffnungen und man kann dadurch weitere Kugeln gewinnen. Man kann diese Kugeln dann zum Spielen einsetzen, oder aber sie als Gewinn in einem Korb sammeln. Mit den gewonnenen Kugeln geht man dann zu einem Fenster, wo man einen Gewinn erhält. Dabei kann es sich um verschiedene Dinge handeln, angeblich Süßigkeiten, Sachpreise oder Geld. Manche sagen, Geldgewinne seien illegal und würden nur von zwielichtigen Organisationen ausgezahlt. Ich sollte mich informieren.

Nach dem Pachinko spielen wir „Shufflepuck“. Ich habe keine Ahnung, wie man das in Deutschland nennt, aber ich habe es schon mit meinem Kumpel Kai in einem kleinen Spielladen in Homburg/Saar gespielt, gegenüber der Sparkasse. Jeder Spieler hat eine Art Plastikschieber in der Hand. Sieht aus wie ein zu kurz geratener Stampfer für Kartoffeln. Das Spielfeld besteht aus einer glatten Oberfläche mit kleinen Löchern, durch die ein leichter Luftstrom zu spüren ist. Über diese Fläche gleitet eine Art Puck (wie beim Eishockey), der auf diesem Luftpolster „schwimmt“. Mittels der Schieber schlägt man den Puck und versucht, das Tor des Gegners zu treffen. Der Preis hier beträgt 200 Yen, dafür kann man etwa zehn Minuten spielen. Ich stelle schnell fest, dass das Gerät hier ebenso wenig wie das in Homburg für Leute wie mich gemacht ist. Der Puck fliegt dreimal durch die halbe Abteilung, die gut besucht ist. Aber getroffen habe ich zum Glück niemanden.

Am Abend esse ich ein Tonkatsu-Ramen (Nudelsuppe mit Schweineschnitzel) und dazu brauche ich keinen weiteren Kommentar zu schreiben. „Umai“ reicht da voll und ganz aus und Pickeldie ging glücklich nach Hause.

Aber um 21:00 läuft „Die Mumie“ im Fernsehen. Das lasse ich mir auf Japanisch doch nicht entgehen. Es ist eine echte Erfahrung (ich übertreibe), und die Synchro ist unbefriedigend. Die Werbung danach sagt, dass „Gladiator“ im November ebenfalls gesendet wird. Na, warum nicht? Wie hört sich „On my signal, unleash hell…“ wohl auf Japanisch an? Und nennen die den Tribun Maximus dann „Shôgun“?

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