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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

18. August 2013

Nebensächlichkeiten 2012 (Teil 3)

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Spielversuche
In der Jahresmitte 2012 hatte ich es geschafft, eine neue Shadowrungruppe (SRII) ins Leben zu rufen, bestehend aus Puck, dem Kleinen und Big M. Als Handlungsort wurde das anarchistische Berlin des Jahres 2052 gewählt. Ich hatte ein paar interessante Regelquellen gesammelt und wollte das Beste daraus machen.

Zum einen das SRII Regelwerk, das Melanies Vater in sehr gutem Zustand vor Jahren zufällig auf dem Flohmarkt gekauft hatte; dass er es (mitsamt einer Kiste weiterer unterschiedlicher Bücher) nach Trier brachte, hatte eigentlich den Zweck, das alles per EBay zu verkaufen – Bücher erzielen dort keinen Verkaufspreis, der die Zeitinvestition lohnend erscheinen lässt, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich fischte das Buch aus der Kiste und konnte mein Glück kaum fassen, ich baute eine erste Gruppe auf, die aber nicht lange Bestand hatte. Immerhin war das Ergebnis, dass mir einer der damaligen Spieler das Magieregelwerk “Grimoire” schenkte und ich mir “Deutschland in den Schatten” und den “Shadowrun Companion” kaufte (beide in englischer Sprache) – die dann erst mal wieder im Regal zustaubten.

Vor etwa einem Jahr ergab sich also eine neue Gelegenheit. Ich hatte mir für die Charaktergestaltung das eine oder andere überlegt und verwurstete brauchbare Ideen aus alten Abenteuern mit neuen Ideen, die nicht für ein ganzes Abenteuer reichten. Teil dieser Ideen beruhten auf Nichtspielercharakteren (NSCs), die ich als Generierungsexperiment voll ausgestaltet hatte, sie sollten als roter Faden zwischen Abenteuern dienen, da viel Plastizität in der Spielwelt gewonnen wird, wenn die Spieler gewisse Figuren immer wieder treffen. Ich mochte dieses Konzept schon immer besser als eine Reihe von so genannten Connections, die man einfach kauft und die nur ein Posten auf der Haben-Seite, eine Notiz auf dem Datenblatt sind.

Am interessantesten heben sich hervor der Magier Erasmus, der Schlaf- und Unsichtbarkeitszauber zu seinen Lieblingssprüchen zählt, aber mit seinen schulterlangen braunen Haaren, dem schwarzen Sakko auf weißen T-Shirt, und den schwarzen Armeehosen über den Springerstiefeln auch ein bisschen lächerlich aussieht.
Zum anderen der chinesische Troll Shen Li, der nicht nur voll ausgebildeter Shaolin-Mönch ist, sondern auch noch Ki-Adept mit gesteigerten Reflexen. Ein wahres Nahkampfmonster. Er ist allerdings Pazifist und verwendet nur Nahkampfwaffen mit Betäubungsschaden.

Big M kam auf einen Ork namens Harry Gosowius, der der Einfachheit halber ebenfalls Mechaniker ist. Im ersten Anlauf richtete er den Fokus der Charaktergenerierung völlig auf Geld, da er nicht nur eine Werkstatt, sondern auch das luxuriöseste Auto auf dem Markt besitzen wollte. Im Laufe der darauf folgenden halben Stunde merkte er allerdings, dass dann für körperliche Attribute und allgemeine Fertigkeiten nicht mehr viel übrig blieb. Einen Ork, der dermaßen schwach auf der Brust war, wollte er nicht spielen. Also nochmal: Ein sehr durchschnittlicher Ork mit einer Werkstatt und einem Motorroller statt Luxusauto, dabei mit einem Wert auf “B/R Fahrzeuge”, den man nach der Gesellenprüfung etwa hat. Waffen seiner Wahl waren eine Uzi und ein großer Maulschlüssel. Aber er war zufrieden damit. Benannte die Mitarbeiter seiner kleinen Firma auch gleich nach Leuten, mit denen er im echten leben nicht so klarkam, von daher verzichte ich auf die Nennung von Namen.

Der Kleine baute einen Troll, den man einfach “Wölkchen” rief, wegen seiner chronischen Verdauungsstörungen… ebenfalls ein friedlicher Typ, der Ärger lieber aus dem Weg ging, ohne dabei Pazifist zu sein. Sein Geld verdiente er bezeichnenderweise als freiberuflicher Lieferfahrer. Dazu besaß er einen Kleinwagen, in den er nicht reinpasste, weswegen das Dach abgesägt wurde. Nachdem es ihm allerdings ein paar Mal den Sitz nassgeregnet hatte, konstruierte er mit Harrys Hilfe aus einem Zeltbausatz eine Art Verdeck, das immerhin Geschwindigkeiten von 50 km/h aushielt, bevor es die Stangen verbog oder die ganze Sache gleich aus der Verankerung riss.

Puck baute einen Elfen, einen bunten Vogel mit hohem Charisma, einen Studio- und Straßenmusiker namens Eris, der von einer Solokarriere träumte und für den es nichts wichtigeres als seine Gitarre und Musik gab – Schattenlaufen war für ihn eine Möglichkeit, schneller an das benötigte Kleingeld zu kommen. Er wurde aber meist “Heinz” gerufen, denn eine seiner gewählten Eigenschaften war “human looking”, eine Option aus dem Sammelsurium des “Shadowrun Companion” zur farbigeren Ausgestaltung von Spielercharakteren, die ich als “menschenähnlich” übersetzte. Er sieht also auf den ersten Blick nicht aus wie ein Elf und Eris legte sich den Straßennamen “Heinz” zu, um den Effekt weiter zu festigen.

Der Auftakt: Wölkchen erhielt von einer anonymen Person den Auftrag, eine Metallkiste von der Größe eines Aktenkoffers an einer bestimmten Adresse abzugeben; wie sich herausstellte, das Hauptquartier der Motorradgang “Burning Blisters”, die in dem Bereich für Ruhe und Ordnung sorgten. Wölkchen bekam sein Geld, die Tür schloss sich, er setzte sich wieder ins Auto, und als er den Zündschlüssel drehte, bemerkte er im Augenwinkel eine Bewegung. Er kümmerte sich nicht weiter darum und fuhr los.

Tags drauf war die Hölle los im Kiez. Das Hauptquartier der Burning Blisters war überfallen worden, es gab zwei Tote, und außer offensichtlichen Wertsachen war scheinbar nur eine Metallkiste verschwunden – DIE Metallkiste. Der Auftraggeber war nicht davon angetan und forderte Wölkchen unmissverständlich auf, sich an der Suche nach der Kiste zu beteiligen, da er nicht frei von Verdacht sei. Wölkchen schaltete seine beiden Bekannten ein und sie wandten sich gemeinsam an den Informationshändler ihres Vertrauens. Über ein paar weitere Ecken kamen sie so zu dem Wissen, dass man sich auf der Straße erzählte, eine rivalisierende Gang, die “Razors”, hätten den Überfall im Zuge einer bereits länger laufenden Fehde ausgeführt.

Wölkchen und Heinz versuchten sich an einem “Undercover-Unternehmen”, in dem sie sich zum Treffpunkt der Razors vorarbeiteten. Dabei rannten sie beinahe in ein anderes Kommandounternehmen, das mit der laufenden Handlung nichts zu tun hatte, aber ich finde es immer unterhaltsam, wenn meine Spieler glauben, dass alles, was ihre Spielfiguren erleben, in einem Zusammenhang mit der Gesamtgeschichte stehe. Ich meine, wenn man auf der Straße jemandem begegnet, der einen nach dem Weg fragt, dann kommt man ja auch nicht auf die Idee, dass dieses Ereignis Auswirkungen auf das spätere Leben hat, oder?
Wie dem auch sei: Die beiden fanden sich irgendwann im Treffpunkt der Razors ein, einer Art Rockkneipe, und versuchten vorsichtig, an Informationen zu kommen, allerdings erfolglos.

Harry wählte daraufhin den direkten Weg: Er fuhr am kommenden Abend allein an der Kneipe vor, ging hinein und fragte den ersten mit einem “Razors” Aufnäher, ob sie was mit dem Überfall zu tun hätten. Er hatte binnen zehn Sekunden ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und gefragt, wer solche Sachen erzählte, fiel ihm nur Heinz ein. Der bemühte sich zu dem Zeitpunkt gerade um Aufnahme in eine Art Kuschelrock-Liveband mit der Bezeichnung “ShmooRiders” und probte mit denen im Keller des Bandleaders. Die Razors kamen an, verlangten Rede und Antwort und Heinz stritt erfolgreich ab, diesen Bekloppten, der sie hergeführt hatte, überhaupt zu kennen, versicherte ihnen glaubhaft, es handele sich um einen armen Irren, den er ab und zu am Bahnhof herumlaufen sehe, der jedem, den er zum zuhören brachte, alles mögliche erzähle, wenn er hoffen konnte, dafür Aufmerksamkeit oder vielleicht sogar Geld geschenkt zu bekommen. Die Gang zog ab, ohne größere Schäden anzurichten, nahm nur ein paar Wertgegenstände aus dem Haus mit und zerlegte den rechten Vorderreifen von Harrys Auto mit Hilfe einer Pumpgun. Heinz war mindestens stinksauer und riet Harry, sich keinesfalls am Bahnhof sehen zu lassen, und am besten erst mal ein paar Tage in seiner Werkstatt zu bleiben (wo ihm der Pausenraum eh als Wohnung diente).

Aber Harry langweilte sich, und es war auch nur genug Arbeit da, um die Kosten zu decken und seine beiden Mechaniker nicht nach Hause schicken zu müssen. Also kam er auf den Trichter: “Ich zieh meinen Helm an, damit mich keiner erkennt, fahr mit dem Roller rum und schlag Autoscheiben mit meinem Maulschlüssel ein – dann kommen die alle in meine Werkstatt, um den Schaden beheben zu lassen.” Ah ja.
Nun, er fuhr rum und zerschlug ein paar Scheiben, am hellichten Tag und natürlich in seiner eigenen Nachbarschaft, damit die Leute auch zu ihm gingen, und nicht in die Werkstatt drei Blocks weiter. Dabei wurde er zwar nicht erkannt, aber ein Passant ertappte ihn und ein weiterer hätte ihn beinahe vom Roller gezerrt, bevor er mit Vollgas davonbrausen konnte. So kam er auf den Gedanken, dass die Sache vielleicht doch keine so gute Idee war und richtete seine Energien wieder auf den Fall, der eigentlich zu lösen war, nämlich, wie man die verschwundene Kiste wiederbesorgen könnte.

Nach einem Tag des Brütens hatte er einen “Plan”, der ihm so gut gefiel, dass er ihn Heinz sofort mitteilen wollte. Es war nicht schwer, herauszufinden, dass der Musiker zu diesem Zeitpunkt gerade im Bahnhof spielte. Allen Warnungen zum Trotz ging er schnurgerade dorthin und fand Heinz im entrückten Zustand beim Spielen eines improvisierten und besonders gelungenen Riffs im Kreis von einem Dutzend interessierter Zuhörer. Alle verbalen Versuche, ihn auf sich aufmerksam zu machen, schlugen fehl, aber Harry platzte vor Mitteilungsbedürfnis, zog seine kleine Uzi aus der Seitentasche seiner Arbeitshose und feuerte eine Salve in die Deckenverkleidung.
Die Leute stoben sofort in Panik, manche schreiend, auseinander und rannten zum nächsten Ausgang. Noch bevor Harry etwas sagen konnte und Heinz damit fertig war, ihn zu beschimpfen, begannen die Sicherheitstore sich zu schließen. Harry bekam Muffensausen, sprintete zum Ausgang und ließ sich aus vollem Lauf unter dem Rolltor hindurchgleiten, bevor es sich zu weit schloss.

Der Bahnhof befand sich im Besitz eines der großen Konzerne, die die Skyline Berlins prägen und dank der üblichen Überwachungsmaßnahmen wurde der Schuldige schnell gefunden. Zwei Herren in Anzügen besuchten Harry in der Werkstatt und machten ihm ein ziviles Angebot, das eine Strafzahlung beinhaltete. Harry warf die beiden raus.
Eine Weile später fuhr die Konzernsicherheit mit drei Einsatzwagen vor, forderte ihn auf, mit erhobenen Händen rauszukommen, aber Harry rief ihnen zu, er werde bis zum Letzten kämpfen. Eine einsame Tränengasgranate durchschlug ein Fenster und eine Minute später wurde Harry eingepackt und weggefahren.

Harry wurde zwei Tage bei Wasser und Brot in einer Zelle geparkt, bis sich sein Mütchen gekühlt hatte, bevor er sich mit einem Mitarbeiter der Rechtsabteilung und einem von der Immobilienverwaltung auseinandersetzen musste. Der Konzern war m.E. gnädig: Sein Vier-Mann-Betrieb bekam einen Verwaltungschef gestellt, der die Überweisung der Strafe, der Instandsetzungskosten der Bahnhofshalle und die Kosten für den Einsatz der Konzernsicherheit sicherstellen soll.

Damit endeten die beiden Spielsitzungen, die wir hinbekamen. Die Chancen dafür, die drei Leute zu koordinieren, um vielleicht irgendwann zumindest das angedachte Abenteuer zu beenden, sind eher schwach. Meine Pläne gehen derzeit in die Richtung, Aushänge in einschlägigen Koblenzer Läden zu machen, ob sich hier vielleicht irgendeine Gruppe findet, die mich aufnehmen würde, wobei mir das Spiel eigentlich fast egal ist – na ja, “Vampire” und “Werewolf” und der ganze Gothicmist müssten nicht sein.
Welche Anforderungen habe ich eigentlich? Hm… ich glaube, ich würde nur unter günstigsten Bedingungen mit Jugendlichen (also jünger als 21 oder so) spielen wollen, aber, wer weiß, es soll ja auch vernünftige Jugendliche geben. Andererseit will ich auch weder Powergamer noch Rollenspieler, die so hardcore sind, dass man am Tisch nur “in character” sprechen darf und idealerweise mit den Slangausdrücken der Spielwelt um sich schmeißen muss, um den Spielrealismus zu erhöhen. Ist doch alles Bullshit, das Spielziel besteht darin, Spaß zu haben. Ich hoffe also zumindest mal, dass ich überhaupt mal zum Testen zu Leuten komme, und sei es nur, um drüber schreiben zu können.