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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

23. April 2024

Freitag, 23.04.2004 – Reis Reis, Baby!

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Ich stehe um 09:00 auf. Die Raumtemperatur beträgt 15 Grad, draußen ist es bewölkt. Aber immerhin regnet es nicht, also fahre ich mit dem Rad, das ich heute an einem offenen Platz abstellen muss, weil die überdachten Plätze komplett voll sind – wie so üblich nach zehn Uhr.

Kuramata-sensei erläutert heute die Ursprünge der Reiskultur in Japan. Zumindest tut er das offiziell. Er erklärt die japanische Frühzeit nach dem Ende der Steinzeit, also die Perioden Jômon, Yayoi und Kôfun. Er zeigt Bilder von entdeckten Siedlungen, die wir bei nächster Gelegenheit besuchen werden. Er zeigt eine Anlage bei Aomori (Stadt), die entdeckt wurde, als man sich daran machte, ein neues Baseball-Stadion zu bauen. Teile der Tribünen standen bereits, aber genau in der Mitte, wo das Spielfeld sein sollte, befindet sich die entdeckte Siedlung, die aufgrund ihrer Art und ihres Alters eine Änderung der Geschichtsbücher notwendig gemacht hat. Nachdem man sie zerlegt und analysiert hatte, war die Anlage zum Schutz vor Wind und Wetter allerdings wieder mit Erde bedeckt worden, und was man besichtigen kann, sind Repliken zu Schauzwecken.

Am Ende der Stunde weiß ich, was ich sowieso schon wusste, nämlich, dass die Jômon-Kultur nach den Seilmustern auf den Töpferwaren benannt ist, dass die Töpfe ohne Drehscheibe hergestellt worden sind, dass die Yayoi-Kultur nach dem Fundort in (oder bei) Tokyo benannt ist usw., aber der direkte Zusammenhang mit Reisanbau ist mir in Teilen entgangen. Wir sehen Bilder, die alte Reisanlagen und Werkzeuge zeigen, die nicht sonderlich anders aussehen als die heutigen, und ein Feld ist mit angeblich alten Fußabdrücken versehen. Im Nachhinein betrachtet muss ich geistig nicht ganz da gewesen sein, sonst hätte ich mal nach Lagerung und Zubereitung des Reises sowie nach der Verwendung der Reisnebenprodukte fragen können.

Nachdem dann auch der Unterricht von Ogasawara-sensei beendet ist (wo außer Misi und Nim auch noch Nun dazugekommen ist), gehe ich ins Center und besorge mir die fehlenden Stempel, die meine Teilnahme an den Sprachkursen bestätigen. Anschließend gebe ich den ganzen Formularkrempel im Sekretariat meiner Fakultät ab.

Ich bleibe noch bis 18:30 im Center, gehe dann aber in die Bibliothek, um einen Zug gegen Frank zu spielen. Noch ist nichts los, obwohl ich die „dunklen Wolken am Horizont“ bereits sehen (bzw. rasseln hören) kann, also gibt es auch noch nicht viel, was ich schreiben könnte. Ich beginne noch den Bericht über den 17.04., aber der wird bis Acht nicht fertig, und um die Uhrzeit verlässt mich die Motivation. Für die Sporthalle ist es mir auch zu spät, denn eigentlich möchte ich allgemein gerne um 21:00 zuhause sein.
Ein kräftiger Regen hat eingesetzt und regnet mein Fahrrad nass. Die Tüte auf dem Sattel macht sich wieder einmal bezahlt. Mein Steißbein wird dennoch nass sein, bis ich zuhause bin, aber so schnell habe ich die Fahrt schon lange nicht mehr geschafft. Wir sehen uns „Nadia“ und „Atashi’n’chi“ an und gehen um 22:30 schlafen.

21. April 2024

Mittwoch, 21.04.2004 – Sakura no Kisetsu[1]

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Der strahlende Sonnenschein bringt die Kirschblüten derzeit besonders gut zur Geltung, aber es weht auch ein recht starker Wind. Die Blüten beginnen daher bereits zu fallen. Inzwischen ist mir auch klar, was japanische Kirschbäume von ihren deutschen Vettern unterscheidet: In Japan kommen die Blüten vor den Blättern zum Vorschein – das Ergebnis aufwändiger Züchtungen. Allerdings ist in der „Japan Times“ zu lesen, dass die Bäume genau deshalb binnen der kommenden Jahre aussterben könnten. Durch die extreme Überzüchtung sind die Bäume viel anfälliger für Krankheiten und Schädlinge.

Yamazaki beginnt den Tag mit einer Konstruktion, die die direkte Folge einer Handlung ausdrückt.
„Naite-ita Kodomo ga rambô-shita totan ni o-Kaa-san wa soto ni okimashita.“
„Als das heulende Kind gewalttätig wurde, stellte die Mutter es nach draußen.“
Nur einer meiner üblichen Beispielsätze.

Ogasawara-sensei hat einen neuen Raum organisiert. Aber während der letzte zu klein war, ist dieser hier viel zu groß. Es ist ein Hörsaal mit einem Volumen von 120 Leuten – für 15 Kursteilnehmer ein wenig zu geräumig. Misi und Nim sind heute zudem nicht erschienen. Nim fühlt sich nicht gut, aber wie ich Misi kenne oder zumindest einschätze, wird er überhaupt nicht mehr erscheinen. „Regeltechnisch“ kann er auf den Kurs verzichten, aber vor allem müsste er sich dieses nicht ganz so billige Lehrbuch kaufen, das unsereins noch vom letzten Semester besitzt.

Die Mittagspause verbringe ich im Center, abgesehen von einem Ausflug zur Post, und ergehe mich mit Mei in englisch-japanischer Konversation, da sie ihren Plan, ihr Englisch zu verbessern, trotz des nicht allzu erfolgreich verlaufenen Kurses im letzten Semester, nicht aufgegeben hat. Sie stellt mir eine weitere Studentin ihrer Heimatuniversität vor, die Anfang April eingetroffen war. Ihr Name liest sich auf Japanisch „Jin Shoku“, aber das klingt für mich wie „Ninniku“ („Knoblauch“), außerdem hört sich das so hart an wie ein Kantholz auf dem Schädel. Dann verbleibe ich bei der in diesem Fall relativ einfachen chinesischen Version: JinShu.
„Der hat Deinen Namen nächste Woche wieder vergessen…“ sagt Mei und lacht. Oh nein, nicht den Namen – ich werde ihr Gesicht nächste Woche bereits nicht mehr erkennen, sofern ich sie nicht in der Zwischenzeit noch einmal bewusst wahrnehme. Mei erzählt mir außerdem, dass es in China keine Zeitzonen gebe, sondern dass alle Uhren nach der Zeit in Peking liefen, also auch an der Grenze zu Kasachstan. Das würde ich einen ausgeprägten Zentralismus nennen. Und es erinnert mich doch direkt an die Episode von „Don Camillo und Peppone“, in der der Bürgermeister den Entschluss fasst, die Uhren im Dorf nach Moskauer Zeit laufen zu lassen, um damit seine Solidarität mit der „großen Sache“ zum Ausdruck zu bringen.

Kondô-sensei redet heute über die Verteilung von Sparvermögen und über die verschiedenen wichtigen Einrichtungen in Japan, die den Finanzmarkt kontrollieren. Dabei ist die japanische Postbank besonders hervorzuheben. Es handelt sich dabei um eine staatliche Einrichtung[2] und die Konten dienen der Regierung öfters als „zweiter Haushalt“, falls hier und da mal ein Loch gestopft werden muss. Natürlich gibt es einige Stimmen, die dagegen protestieren, und es scheint, dass seit der Krise von 1997 immer mehr Sparer und Anleger ihr Geld lieber im Ausland investieren.
Kondô gibt das Procedere, den Text während des Unterrichts vorlesen zu lassen, vorerst nicht auf. Er lässt aber auch immer Leute (den englischen Teil) vorlesen, von denen er der Meinung ist, sie bräuchten etwas Übung – heute muss SangSu dran glauben. Mir scheint, ich werde eine gemütliche Zeit hier verbringen.

Hugosson bleibt bei seinem Diskussionsstil (was auch recht einfach ist mit nur drei bis vier Studenten) und stellt sein Modell von Wirtschaftssektoren oder –faktoren vor. Seine Dissertation, um genau zu sein. Wirtschaftliche Unternehmungen seien privat oder öffentlich, auf finanziellen Gewinn oder sozialen Nutzen ausgelegt, und entweder fest organisiert oder nur ein lockerer Verbund von Leuten. Dazu fragte er eingangs, wie wir denn „Gesellschaft“ („society“) in Untergruppen aufteilen würden. Ich verstehe darunter eine Ansammlung von historisch, kulturell oder anderweitig verbundenen Individuen, die sich durch die Definition des gemeinsamen Nenners ihrer Werte von anderen Gruppen/Gesellschaften abgrenzen, daher gefällt ihm meine Antwort nicht. Er wollte eben auf „Privat vs. Öffentlich“ hinaus, und das sind für mich Untergruppen im Bereich „Wirtschaft“ und nicht „Gesellschaft“. Aber man kann wohl auch sagen, dass eine Gesellschaft aus öffentlichen und privaten Teilen besteht. Er redet über NPOs (Non-Profit Organizations) und sagt, dass der Erlös solcher Körperschaften nicht akkumuliert, sondern in Dinge investiert werden müsse, die der Gruppe zu Gute kämen, wie z.B. einen neuen Teppichboden, einen Computer oder ein Gemeinschaftsfahrzeug. Ich frage, ob man das Geld auch in eine gemeinsame Urlaubsreise investieren könne und er lacht. Ich solle Anwalt werden, sagt er, da genau an dieser Stelle der Schwachpunkt der Definition liege. NPOs zahlen außerdem für gewöhnlich keine Steuern und es gibt natürlich Organisationen, die diesen Umstand entsprechend ausnutzen möchten.
Nach dem Unterricht unterhalten wir uns über dies und das und Hugosson erzählt, dass er Offizier bei der schwedischen Marine gewesen sei. Das ist zumindest nicht uninteressant.

Der heutige Marathon ist also vorbei und ich gehe in die Bibliothek. Im Netz ist nicht viel los, und viel Zeit habe ich eigentlich auch nicht. Ganz zu schweigen von meiner nicht vorhandenen „Aktionsbereitschaft“. Da kommt nämlich Valérie zu mir und sagt, dass ab 18:00 eine Hanami[3]-Party stattfinden werde. Ich weiß, dass ich was verpassen werde, aber ich lehne das Angebot ab. Ich bin zum Umfallen müde und einen Bericht will ich ja auch noch geschrieben kriegen. Um 18:30 gehe ich dennoch für eine Stunde zum Sport. Das gibt mir sozusagen den Rest und ich falle um zehn Uhr ins Bett.


[1] Die Zeit der Kirschblüte

[2] Dieser Zustand wurde auf Betreiben des Premierministers Koizumi anno 2006 behoben. Die japanische Postbank ist seitdem zumindest teilweise privatisiert. Koizumi schuf sich damit ein politisches Vermächtnis und trat zurück – angeblich um das bedeutendere Vermächtnis einem Nachfolger zu überlassen: die dringend notwendige Rentenreform.

[3] Blütenschau

20. April 2024

Dienstag, 20.04.2004 – Mein letztes Hemd

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Kalt ist es nicht, aber der Himmel ist wolkig. Über Nacht hat es den gestern Morgen angekündigten Regen gegeben, und einen kleinen Sturm gleich dazu.

Ein Blick in den Kleiderschrank sagt mir, dass ich dringend zwei neue T-Shirts kaufen sollte. Von den elf („elfen“?), die ich mitgenommen habe, kann ich nur noch fünf in der Öffentlichkeit tragen. Von den vieren, die ich im Discountmarkt Takko erst letzten Sommer gekauft habe, sind zwei dermaßen eingelaufen, dass sie nicht mehr in der Hose bleiben und eines davon hat Löcher vom Waschen bekommen. Die eingelaufenen Hemden könnte ich vielleicht noch im Sommer tragen, wenn es warm genug ist, (beinahe) „bauchfrei“ herumzulaufen. Mein BW-Hemd ist am Kragen völlig abgetragen, ein schwarzes hat hinten am Kragen ein Loch, durch das man das weiße Schildchen sehen kann, und das „otokorashii“ Hemd ziehe ich eh nur zu besonderen Gelegenheiten an. Ich werde ins Kaufhaus fahren und mich nach billigen T-Shirts umsehen… in Japan findet man immer wieder Sonderangebote.

Inzwischen weht wieder ein kräftiger Wind. Vor dem Daiei, auf der anderen Straßenseite, wird die relativ leichte Einkaufstüte einer an der Fußgängerampel wartenden Großmutter aus dem Fahrradkorb mitten auf die Kreuzung geweht. Das ist recht weit, bei laufendem Verkehr, und in der Sekunde, die ich überlege, wie ich reagieren soll, stürzt sich bereits eine OL („Office Lady“ = „Bürodame“) von der gegenüberliegenden Seite her todesmutig in den Verkehr und bringt der Frau ihre Tüte wieder. Meine Hochachtung.
Meine Ampel wird grün und ich gehe ins Kaufhaus. Ich habe Glück. Im Daiei finde ich sofort einen Warenständer mit Hemden für 580 Yen. Ich nehme ein „LL“ (=“XL“) und ein „L“ Exemplar und gehe zur Kasse. Die Verkäuferin schaut mich an und sagt:
„Das könnte ihnen ein bisschen zu klein sein… die Größen sind für japanische Proportionen gedacht…“
Sie zeigt mir auch ein „LLL“ Hemd, das allerdings nicht im Preis reduziert ist. 1500 Yen wollte ich nicht bezahlen. Na gut, dann nehme ich nur das größere der beiden in meiner Auswahl und lasse das kleinere hier – ich brauche „schnellfristig“ ein Hemd. Ich gehe aus anderen Gründen noch in den 100-Yen-Laden (ohne was zu kaufen) und stelle beim Vorbeigehen an der Sportabteilung fest, dass Ueto Aya Werbung für „Converse“ macht. Das ist nicht weltbewegend, aber das Bild gefällt mir.

Ich lese wenig später im Center meine Post, bevor ich um 14:15 in den Raum 315 gehe. Die übrige Gesellschaft trifft nach und nach ein, also Misi, Irena, Nim, Melanie, FanFan, MunJu, MinJi, Jû und SungYi – nur Kondô kommt mal wieder nicht. Nach zehn Minuten gehe ich nachsehen, was denn heute das Problem sein könnte. Chiba-sensei zeigt mir ein übergroßes Schild neben dem Eingang des Centers, auf dem zu lesen ist, dass der Unterricht heute ausfällt. Natürlich ist das peinlich, aber es ist auch beruhigend, dass sogar Spezialisten wie unsere koreanischen Freunde, die den Inhalt eines japanischen Textes auf den ersten Blick erfassen können, das Schild ebenfalls übersehen haben. Ich verkünde die Neuigkeiten und verlege wieder ins Center.

Dort treffe ich Jiang Ning – einen Chinesen, der sich jüngst dazu entschlossen hat, Deutsch zu lernen, und verbringe eine Stunde damit, ihm die deutsche Aussprache näher zu bringen. Da das uvulare „R“ (hinten im Hals) nicht so klappen will, wie man es im Hochdeutschen benötigt, verlege ich mich bei ihm auf das labiodentale, das „bayrische“ R hinter den oberen Vorderzähnen.

Ich finde auch Misi vor Ort, der mich heute in die Sporthalle begleiten will, aber ich kann ihm nicht mehr sagen, als dass ich für gewöhnlich gegen 19:00 dorthin gehe, aber eigentlich keinen festen Plan habe. Aber es wird heute etwas spät und ich erreiche die Halle erst um 19:30. Misi ist nicht da, was natürlich kein Beinbruch ist, aber der Fitnessraum ist völlig überfüllt mit Mitgliedern irgendwelcher Sportclubs, die vor den Geräten bereits Schlange stehen. Also das will ich mir nicht geben und gehe gleich nach Hause.

19. April 2024

Montag, 19.04.2004 – Lange nicht gesehen

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute Morgen scheint die Sonne zwar durch die Wolken, aber im Verlauf des Tages soll es möglicherweise noch regnen – mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 %.

Yamazakis Stunde bleibt heute der einzige Unterricht für mich und er verläuft in den gewohnten Bahnen, abgesehen davon, dass wir neuerdings für die Beantwortung der Fragen aus seinen Hörspielen extra Blätter zum Ausfüllen ausgeteilt bekommen – reine Materialverschwendung! Lustig ist allerdings sein Versuch, einen Umstand am Beispiel eines Mannes zu erklären, der sich gerade aufhängt, mitsamt der ihm eigenen Körpersprache. Allerdings habe ich nicht verstanden oder bereits wieder vergessen, was uns der Künstler damit sagen wollte.

Nach dem Unterricht gehe ich ins Center und sehe meine Post durch. Ich entleere auch mal wieder meine Kamera und treffe Yôko wieder. Yôko? Moment mal, wer ist Yôko? Ich verüble ihr nicht, dass sie wegen meiner Frage etwas enttäuscht ist. Ich habe sie im Januar einmal getroffen, als sie gerade aus Neuseeland zurück war und habe ihr erfrischend gutes Englisch bewundert. Allerdings hat sich dieser Umstand nicht in meinem Tagebuch niedergeschlagen, also habe ich es vergessen. Warum habe ich bei der Gelegenheit heute nicht gleich ein Bild von ihr gemacht? Weiß der Geier…

Das ist auch etwa der Zeitpunkt, zu dem Melanie das Foto mit den Krankenschwestern entdeckt:
„Dominik!? Was ist denn das für ein Bild??“

Gleich darauf finde ich auch Yui im Center vor und wir verabreden, uns am folgenden Montag um diese Zeit hier zu treffen. Danach gehe ich in die Bibliothek und beschäftige mich dort bis etwa 17:00, dann gehe ich in die Sporthalle. Kurz darauf kommen auch wieder ein paar Volleyballerinnen vorbei und spielen mit den kleinen Gewichten, aber das letzte Drittel meiner Zeit bin ich allein in dem Raum.

Als ich nach Hause gehe, durchquere ich auf dem Weg zu meinem Fahrrad wie üblich das Ingenieursgebäude und finde auf einem Zeitschriftenstapel eine der telefonbuchdicken Mangasammlungen, in denen jede Woche je ein Kapitel verschiedener Serien erscheint. Die Aufmachung ist „Gush Bell“… dann kann ich ja mal reinschauen. Ich kann anhand dieses einen Kapitels nicht sagen, ob der Manga ernst oder bekloppt ist… die kleinen Mädchen mit den kugelrunden Köpfen und den übergroßen Augen sind auf jeden Fall extrem stark und ich nehme bislang an, dass es sich um Androiden handelt.[1] Es scheint hier eine Art Endkampf stattzufinden, so wie die Protagonisten hier zusammengedroschen werden. Einer muss sogar wiederbelebt werden.

Ich gehe nach Hause und wir sehen uns „Atashin’chi“ an, von dem ich nun endlich weiß, was es bedeutet: „Atashi“ ist eine weibliche Selbstbezeichnung, „Ich“ sagen wir im Deutschen einfach, und der Anhang „n’chi“ steht für „no Uchi“, was komplett „Atashi no Uchi“ wäre, und „mein Haus“ = „meine Familie“ bedeutet.

Außerdem komme ich endlich dazu, die „SailorMoon“ Episode vom Samstag zu sehen. Das Mädchen mit den blauen Haaren ist tatsächlich Luna – nennt mich „Gott“! Allerdings folgt sie einem alten und augenfälligen „SailorMoon“ Syndrom: Wenn sie sich verwandelt, tauscht sie ihr Hirn aus. Im Falle von Usagi zu SailorMoon ist das gut, weil Usagi sowieso keine nennenswerten Kapazitäten in der Birne hat, aber Luna folgt dem Beispiel von Mamoru und tauscht ihr Gehirn während der Verwandlung gegen ein aufgeweichtes Milchbrötchen.
Man könnte doch auch mal ein Fansub einer Animeepisode machen, in der Tuxedo Kamen mal wieder irgendwo runterspringt und dann sagt: „Ich bin der Schrecken, der die Nacht durchflattert… ich bin der freche Nachbar, der Deine Rosenbeete plündert…“
Wie dem auch sei… die Katze Luna ist ultra-rational und eine Quelle der Vernunft, die sich weniger von Emotionen leiten lässt. Wenn sie jedoch als Mensch auftritt, verhält sie sich viel mehr wie eine Katze (um dem Catgirl-Klischee zu entsprechen, denke ich). Sie hat Angst vor Hunden (die in meine Hand passen) und läuft im Zeitraffer davon, und im Toys’R’Us (einer der Sponsoren) kommt sie nicht umhin, einer Anzahl herumrollender Bälle hinterher zu springen. Also bitte!

EvilMerkur hat beim letzten Mal wohl ein bisschen zu viel vom positiven Licht der Prinzessin abbekommen und nähert sich in Folge dessen wieder ihrem langweiligen Normalzustand an, lädt aber Usagi zu einem Kampf ein. Und natürlich brät sie ihr eins über und SailorMoon muss von (der menschlichen) Luna gerettet werden. EvilMerkur gerät ins Hintertreffen; Kunzyte kommt ihr zu Hilfe und kümmert sich um Luna. Sie ist schnell und er kann sie nicht erwischen, daher ist er sichtlich genervt. Er macht ein Gesicht wie ein Vater, der mit dem unbändigen Verhalten seiner Tochter überfordert ist. Es ist das Beste an der gesamten Episode. Schließlich trifft er sie doch und beendet damit ihre Verwandlung. Er kommt so gerade noch rechtzeitig, um die endgültige Bekehrung EvilMerkus zum Guten zu verhindern. Sie langt also mit dem Eisschwert noch mal so richtig hin und zerbricht damit den Mondstab, worauf SailorMoon bewusstlos (aber ohne einen Kratzer) zu Boden sinkt. EvilMerkur erkennt bei diesem Anblick ihr böses Tun und beweint ihre Tat, offenbar bekehrt.

Um neun Uhr läuft „Mito Kômon“ – das ist die Sendung, die ich irgendwann einmal als „Thai Ginseng unterwegs“ bezeichnet habe. Natürlich sehe ich mir das weiter an… man muss diesen Mann hin und wieder onkelhaft lachen hören, das macht den ganzen Tag besser. Heute bietet er sich, zum Entsetzen seiner Begleiter, einem geizigen Geldverleiher als Yôjimbô (Leibwächter) an, ohne, dass ich den geäußerten Grund verstanden hätte. Wohl, um diesem eine Lektion erteilen zu können. Es ist lustig, ihn als ungelenken Geldeintreiber zu sehen und wie er den Geizhals dabei ausbremst. Natürlich lacht er am Ende wieder auf die ihm eigene Art und Weise und die Leute fallen massenweise vor ihm in den Staub, wenn sein linker Heinrich das Wappen auspackt. Ich frage mich, ob sich die Serie eigentlich selbst noch ernst nimmt. Aber selbst wenn nicht, macht mir dieser Umstand das Ansehen nur angenehmer.

Den Rest des Tages verbringe ich mit meinem Tagebuch. Vokabeln lerne ich morgen früh, da ich ja erst um 14:20 Unterricht habe. Die Zeit sollte reichen.


[1] Entgegen dem missverständlichen Charakterdesign handelt es sich bei den meisten der gemeinten Charaktere um Jungs, und auch nicht um Androiden, sondern um eine Art von Dämonen.

16. April 2024

Freitag, 16.04.2004 – One more time

Filed under: Japan,My Life,Spiele,Uni — 42317 @ 7:00

Der erste Unterricht heute ist ein Kulturseminar über „die Bedeutung von Reis in der japanischen Gesellschaft“ unter der Leitung von Kuramata-sensei. Er bespricht zuerst die Themen und erläutert dann die „Sondertermine“, also wann der Unterricht ausfällt und wann wir irgendwelche Ausflüge machen. Problematisch an diesen Ausflügen wird sein, dass sie sich zeitlich mit dem nachfolgenden Japanischkurs überschneiden könnten. Ich habe allerdings kein Problem damit, für eine Exkursion Unterricht zu verpassen. Ich bin sicher, Ogasawara-sensei wird dafür Verständnis haben.
Wir sehen auch die Aufzeichnungen des Erstversuchs dieses Seminars vom Wintersemester 2002/2003. Es sind Fotos dabei und wir sehen darauf neben Dave auch Stefan und Hans beim Reiskochen in der Abteilung für Hauswirtschaft. JP erscheint auf dem Bild von einer Exkursion.
Der anschließende Unterricht bei Ogasawara-sensei läuft in den üblichen, entspannten Bahnen.

Danach habe ich frei und schreibe den Bericht zum 09.04.2004, aber das Versenden will nicht hinhauen. Mein Adressbuch wird als Quelle von Empfängern nicht erkannt und ich kenne die 80 Adressen nicht auswendig, um sie von Hand einzutragen – ganz zu schweigen von der Mühsal, die ich mir damit machen müsste. Dann kann diese Angelegenheit auch noch bis morgen warten.

Kazu setzt sich neben mich und brütet über einer Literaturliste von Professor Philips, die auch die wildesten Gerüchte um Listen von Frau Professor Scholz in den dunkelsten Schatten stellt. Die txt-Datei hat knapp ein Megabyte Datenumfang (txt!!), in ein Word-Dokument übertragen ist die Liste 505 Seiten lang (bei „Times New Roman 11“) und enthält nicht weniger als 10.000 Titel. Und das nur zum Thema „Afrikanische Musik“??? Philips muss komplett irre sein. Ich werfe einen Blick in die Liste und entdecke Titel in jeder mir bekannten Sprache. Ich bin sicher, dass Kazu mit japanischen und vielleicht auch englischen Titeln am meisten anfangen könnte und dass diese Beschränkung die Liste auch deutlich kürzer gemacht hätte. Sie hat bis Dienstag Zeit, aus dieser Liste eine Auswahl für ihre Arbeit zu treffen. Sie erzählt, dass sie im Oktober wirklich gerne nach Deutschland gehen möchte, aber es gebe noch Unstimmigkeiten mit der Krankenversicherung, da sie einen empfindlichen Magen und entsprechende Medikamentenrechnungen habe.

Um 17:55 gehe ich mit ihr gemeinsam zu der für heute angesetzten „Welcome Party“, und ich habe mich nicht für eine Vorstellung gemeldet. So groß ist der Kreis der neuen Studenten nicht, und außerdem hat Marc bei der Organisation durchgesetzt, dass nicht wir etwas bieten müssen, sondern dass in erster Linie wir von „Vertretern“ des Gastgeberlandes etwas geboten bekommen sollten.
Für die Organisation wurde wohl extra ein „Party Club“ an der Uni ins Leben gerufen, dessen Aufgabe und Sinn nicht darin besteht, die alkoholischen Wunschvorstellungen seiner Mitglieder umzusetzen, sondern größere Partys zu organisieren. Und das hat diesmal auch gleich viel besser geklappt als das letzte Mal.

Jeder Besucher erhält natürlich ein Namensschild, und auf diese Namensschilder sind Nummern aufgedruckt, so dass jeder eine Zufallsnummer zwischen 1 und 15 erhält. Ich habe die Nummer 13, und diese Zahl sollte alles andere als Pech verheißen. Die erste Aufgabe ist es, Leute mit der gleichen Nummer zu suchen. Ich werde von BiRei gefunden – das war schon mal ein guter Treffer – und wir machen eine Runde durch den Raum, bis wir unsere Genossen gefunden haben. Unter diesen befinden sich Mei, Saitô-san und Sawada-sensei. Daneben sind noch zwei mir nicht bekannte Japanerinnen in der Gruppe, sowie ein Professor der Physik um die sechzig. Aber ich stelle bald fest, dass die Gruppenbildung eine sehr untergeordnete Bedeutung hat. Natürlich soll man ins Gespräch kommen, aber soweit es mich betrifft, kommt es dazu gar nicht. Zuerst mal wird gegessen, und diesmal ist etwa doppelt so viel Nahrung vorhanden wie beim letzten Mal. Als ich gerade eigentlich satt bin (aber immer noch was essen könnte), fallen mir meine Stäbchen auf den Boden und Ersatz scheint es keinen zu geben, also bewahrt mich das Schicksal so davor, mich an den äußerst schmackhaften Hühnerschenkeln (Unter- und Oberschenkel getrennt) zu überfressen.

Ich erspähe irgendwann den Sohn von Sawada-sensei aus dem Augenwinkel. Ich sehe ihn nicht zum ersten Mal, und wie üblich ist er auch diesmal in seiner Schuluniform erschienen. Wie es scheint, also bereits Oberschüler[1], aber für sein Alter deutlich zu kurz geraten, schlank, dunkelblond, aber mit einem Gesicht, dass man keinem der beiden in ihm enthaltenen ethnischen Einflüsse zuordnen kann. Meine Fähigkeit zur Einschätzung von Menschen anhand ihres Äußeren ist sicherlich nicht die beste, aber der Junge hier macht nicht nur heute, sondern eigentlich ständig (da ich ihn ja nur auf Veranstaltungen sehe) einen äußerst verkrampften Eindruck. Wie soll ich das beschreiben? Er sieht aus, als ob er in jeder Sekunde mit einem Angriff rechne und gleichzeitig bemüht sei, einen selbstsicheren und unangreifbaren Eindruck zu machen. Was ihm nicht gelingt, nach meinem Ermessen. Er verzieht sich auch sehr bald in eine Ecke und bleibt dort sitzen, hin und wieder von seiner Mutter „besucht“. Gut, es kümmert sich auch sonst keiner um ihn… und ich wüsste ebenfalls nicht, was ich kommunikativ mit ihm anfangen sollte. Außerdem erhalte ich nicht viel Gelegenheit, weiter über ihn nachzudenken.

Nach dem Essen beginnt das Unterhaltungsprogramm, allerdings muss ich gestehen, dass ich sehr wenig davon mitbekomme. Da wird der „Arielle“ Soundtrack „Unter dem Meer“ karibisch echt auf Klangfässern gespielt, ein sehr ausgelassener Tanz aus Hokkaidô wird vorgeführt, Irena singt ein Lied (und man merkt, dass sie Übung hat), und auch ein Gruppenspiel wird gespielt. Jetzt kommt die Gruppenbildung zu ihrer Bedeutung!
Zuerst wird rotes und weißes Kartonpapier im Format A4 ausgeteilt. Auf einer Leinwand werden dann zwei Fotos gezeigt, worauf je ein Vertreter eines Staates hingeht und eine der beiden Darstellungen beim Namen nennt. Marc zum Beispiel hat den Begriff „Berliner“. Auf einem der Bilder ist eine Schildkröte dargestellt (wofür man das weiße Blatt hochhalten soll) und auf dem anderen drei frittierte Krapfen mit Marmeladenfüllung[2] (wofür man das rote Blatt heben soll). Und so geht das über etwa zehn Versuche. Die Gruppe, die am Ende alles richtig geraten (oder gewusst) hat, bekommt einen kleinen Preis. Gleich zu Beginn hat man mir die beiden Blätter in die Hand gedrückt und die Entscheidungen völlig mir überlassen, anstatt sich abzusprechen, wie eigentlich geplant. Aber natürlich ist das Konzept arg seltsam, denn im Grunde wird ja geraten. Ich habe zweimal falsch geraten, weil ich ein thailändisches Chiligericht begrifflich nicht von thailändischem Tanztheater unterscheiden kann, und auch die slowenischen Begriffe für Schneemann und Feiertagsschmuck kann ich nicht auseinander halten. Immerhin habe ich die chinesische Mikrowelle richtig geraten, und das einfach aufgrund der Tatsache, dass sich die erste Silbe des chinesischen Wortes recht ähnlich anhört, wie die erste Silbe des japanischen Begriffs.

Kaum, dass ich mit dem Essen fertig bin, geht der Andrang, der Sturm wissbegieriger Einheimischer auf die Ausländer, auch schon los. Oh, drei männliche Japaner? Das ist selten. Und ich verstehe auch am Ende des Abends, warum ich lieber mit Frauen verkehre. Die drei stellen nur die üblichen Fragen und ich versuche mit Händen und Füssen, sie zu beantworten – aber ich verstehe kaum, was die drei (bzw. der Wortführer) sagen. In Ordnung, die Musik ist relativ laut, aber die Jungs reden undeutlicher, als mir lieb sein kann. Wenn ich mit Frauen rede, habe ich im Allgemeinen nur Probleme mit den Vokabeln, aber bei den dreien hier kommen auch noch Verständnisschwierigkeiten wegen der Aussprache dazu.

Als die dann nach etwa 30 Minuten wieder abziehen, steht auch schon die erste Japanerin in der Warteschlange. Ihr Name ist Yumi und ich wiederhole mit ihr quasi das gleiche Gespräch, das ich gerade eben geführt habe, mit dem Unterschied, dass ich weniger Wörter nachfragen muss, weil sie eine verständliche Aussprache besitzt. Und kaum ist Yumi zum nächsten Ausländer abgewandert, kommen auch bereits die nächsten beiden zu mir, die sich bald auf drei aufstocken. Die drei studieren Medizin und sind bereits ausgebildete Krankenschwestern, jeweils 21 Jahre alt. Zu den dreien kommen gegen Schluss noch einmal drei (Krankenschwestern) dazu. Ich habe mir nicht alle Namen gemerkt, außer Fukushima (weil „Glücksinsel“ ein interessanter Name ist)[3] und Saori, die aus Tokyo stammt. Sie sagt, die Universitäten in Tokyo könne sie sich entweder nicht leisten oder aber sie habe die Eingangsprüfung nicht geschafft. Die Universität von Hirosaski habe einen soliden Ruf, was die Medizin betrifft, und sowohl die Finanzfrage als auch die Eingangsprüfung seien für sie schaffbar gewesen. Natürlich sei Hirosaki etwas langweilig im Vergleich zu Tokyo, aber sie wolle Bezirkskrankenschwester werden. Sie wohne direkt beim Book Max (in der der gleichen Straße wie Misi) – was natürlich kein Vergleich zu dem Apartment direkt an der Rainbow Bridge sei, wo sie während ihrer Schulzeit gewohnt habe.

Währenddessen singt Irena gerade und Saori fragt mich, wo sie herkäme.
„Aus Slowenien“ sage ich.
„Ist das nicht in der Nähe von Russland?“ fragt sie zurück.
„Ganz Europa liegt in der Nähe von Russland“, antworte ich amüsiert, „aber Slowenien liegt gegenüber von Italien auf der östlichen Seite des Adriatischen Meeres und nicht direkt neben Russland.“
Und dieses Gespräch läuft im Großen und Ganzen sehr flüssig ab (bis auf meine Vokabelsuche und Umschreibungen für unbekannte), was meine Meinung über männliche Studenten keinesfalls weiter hebt. Zum Schluss bitte ich Nim darum, ein Foto von mir mit den Krankenschwestern machen zu lassen, hinter denen ich wie ein Turm herausrage. Vielleicht hätte ich mir eine Mailadresse geben lassen sollen, damit sie auch was von dem Foto haben. Ich könnte in der medizinischen Fakultät ja mal nach Fukushima fragen.[4] So viele kann es davon doch in diesem begrenzten Suchgebiet nicht geben.

Der Dominik und die Sieben, äh, Sechs Krankenschwestern.

Und dann wird auch schon zusammengepackt. Ich ziehe schließlich mit Mei und BiRei ab, weil ich Kazu (die einer anderen Gruppe zugeteilt worden war) aus den Augen verloren habe. BiRei biegt in Richtung der Shimoda Heights I ab, Mei liefere ich an ihrer Haustür ab. Damit sehe ich das „Männer verboten!“ Wohnheim zum ersten Mal live und aus der Nähe. Mei bestaunt mit offenem Mund, dass es in Deutschland völlig normal ist, dass Männer und Frauen nebeneinander auf dem gleichen Gang wohnen, und zwar ohne, dass es deshalb zu einer Geburtenexplosion kommen würde. Ich verstehe ihre Überraschung nicht wirklich gut, da ja auch im Kaikan solche „Verhältnisse“ herrschen.

Ich gehe noch Getränke kaufen und dann nach Hause. Ich lese das Buch des Ehepaars Seagrave zu Ende und befreie den Latour, „Kampf dem Terror – Kampf dem Islam?“, schon mal aus seiner Plastikverschweißung. Ich wusste gleich, dass das Buch der Seagraves nicht lange halten würde.


[1]   Korrekt ist, dass auch die meisten Mittelschulen Uniformen haben.

[2]   Menschen aus Berlin nennen die Dinger „Pfannkuchen“.

[3]   Nach dem Tsunami mit anschließendem Reaktorunglück hat dieser Zufall eine gewisse Ironie.

[4]   Ist leider nicht geschehen.

15. April 2024

Donnerstag, 15.04.2004 – Sportliche Überraschung

Filed under: Japan,My Life,Sport,Uni — 42317 @ 7:00

Der Donnerstag beschert mir wieder den Yamazaki-Kurs über schriftliche Kompetenz, und ich merke gleich, dass ich ihn in diesem Durchgang ebenso genießen werde, wie beim letzten Mal. Aber was will ich mich beschweren? Ich hätte mehr lernen können, aber das hätte meinen Feriengenuss wesentlich geschmälert und mir als Kehrseite der Ehre eines höheren Kurses ein gutes Stück mehr Arbeit aufgehalst.

Wir sind um die 20 Leute in dem Kurs. Yuan ist auch noch da, ebenso die Doktoren – minus Chin, von dem ich noch kein Foto habe und der verschwunden zu sein scheint. Als Ausgleich für „den Chin“ ist ein „Chen“ aufgerückt: Dr. „Dragon“ Chen, und der hat den Drachen deshalb im Namen, weil er so heißt – das chinesische Kanji für „Drache“ ist sein Vorname.

Und dann ist der Unterricht für heute auch schon gelaufen. Ich gehe in die Bibliothek und finde noch keinen Spielzug von Frank vor. Überhaupt ist heute wenig los mit der Post, und auch im Forum herrscht Stille. Ich nehme mir die Zeit, ein Gefecht nach einer Vorlage von Andreas zu spielen. Danach schreibe ich zwei Berichte und erreiche damit heute den 08. April – der Rückstand ist so gering wie in den besten Zeiten Anfang Dezember 2003. Um 18:30 gehe ich wieder für eine Stunde in den Fitnessraum und finde darin… ein Dutzend Frauen vor! Was machen die in dieser Heimstatt für potentielle Neandertaler? Da die Sportteams offenbar ohne Trainer auskommen, ist den Teilnehmerinnen die Art des Aufwärmens wohl selbst überlassen, und etwas Krafttraining kann auch nicht schaden, wenn man Volleyball spielt.

14. April 2024

Mittwoch, 14.04.2004 – Beengte Verhältnisse

Filed under: Japan,My Life,Uni,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Mittwoch wird in diesem Semester der „Großkampftag“ werden, weil ich durchgehend Programm von 08:40 bis 16:50 habe. Und der Tag beginnt mit Yamazaki-sensei im Raum 415. Der Raum ist so klein, dass wir gerade so alle hineinpassen, nur die vier Stühle, die neben dem Lehrerpult stehen, sind noch frei.

Danach haben wir Unterricht bei Ogasawara-sensei, im selben Raum, und die Frau zieht für gewöhnlich mehr Publikum als Yamazaki. Außerdem mischen sich auch noch Misi und Nim unter uns, die eigentlich einen Level tiefer angesetzt sind. Schließlich muss einer der Koreaner den kleinen Schrank, in dem der Kassettenrekorder steht, als Schreibunterlage benutzen, weil alle Tische besetzt sind. Wir können nach kurzer Rücksprache mit der Uni-Organisation allerdings in den Raum 421 verlegen, in dem genug Platz für alle ist.
Im Anschluss gehe ich mit Nim einen Stock tiefer, um das zweite Wirtschaftsseminar von Kondô-sensei zu besuchen. Im Vorbeigehen deutet sie auf die Herrentoilette und sagt, dass sie bisher immer diese benutzt habe, weil ihr das Schild am Eingang nicht aufgefallen sei.

Der Unterricht bei Kondô-sensei ist schwach besucht. Misi und Nim sind da, die Koreanerin MunJu und meine Wenigkeit, und außerdem freue ich mich darüber, mit Mei einen Kurs zu teilen. Nur Kondô ist nicht da. Nach 15 Minuten gehe ich ins Center und frage nach. Der Stundenplan, der an seiner Tür hängt, beinhaltet einen Fehler – Kondô hat diese Stunde für Donnerstag eingetragen. Ich würde das in dieser Situation als „aufschlussreich“ bezeichnen. Ich rede mit Chiba-sensei, der meint, dass er sich darum kümmern werde. Wir sollten noch ein wenig warten.

Kondô trifft fünf Minuten später ein, entschuldigt sich für seinen Fehler und überrascht Mei damit, dass der Kurs auf Englisch gehalten werden wird (und sein schriftliches Englisch ist furchtbar – der „Rotary Club“ wird zum „Lottery Club“). Mei hat erst letztes Jahr begonnen, Englisch zu lernen, aber Kondô sorgt auch gleich für Entspannung in diesem Punkt: Er wird keinen Leistungsnachweis außer Anwesenheit verlangen und das Lehrbuch, das er verwendet (und kopiert hat), ist zweisprachig Japanisch-Englisch. In Folge dessen lässt er es abschnittsweise vorlesen. Ich hoffe, dass das nicht so bleibt und denke, dass das daran liegt, dass er für heute eigentlich nichts vorbereitet hat – das Buch kann man auch zuhause vorbereitend lesen. Sehr groß ist es nicht und die Sprache ist leicht verständlich. Nim liest den ersten englischen Abschnitt vor und Mei den japanischen. Und bei Mei spürt man die Macht von acht Jahren Unterricht in Japanisch: Sie zwitschert den japanischen Wirtschaftstext in einer Geschwindigkeit herunter, wie ich es mit der Londoner Ausgabe der „Financial Times“ nicht besser könnte. Beeindruckend.

Zuletzt habe ich Unterricht bei einem relativ jungen Lehrer, dessen leichter, aber vorhandener Akzent mir gleich verdächtig vorkommt: Der Mann heißt Hugosson und stammt aus Schweden. Er ist seit 1992 in Hirosaki. Sein Thema ist „Public Policy“, und nachdem wir die Vorstellungsrunde hinter uns haben, versuchen wir uns an Definitionen für „Wirtschaft“ („Economy“) und „Organisation“. Anders als bei Kondô wird hier allerdings eine Abschlussklausur geschrieben. Die Themen in dem kopierten Lehrbuch sind nichts sagend bis abschreckend, aber der Diskussionsstil gefällt mir. Ich hoffe, dass das so bleibt.

Ich gehe in den Computerraum und finde leider keine Post von Frank vor, wie ich sie gerne haben würde. Als ich mit meinem Krempel fertig bin, gehe ich nach Hause. Melanie hat leider versäumt, „Nadia“ aufzunehmen… aber ich bin etwas zu müde, um diesem Umstand irgendwelche Emotionen entgegenzubringen. Ich sitze eher apathisch vor dem Bildschirm… ich weiß aber noch, dass währenddessen ein Bericht über eine Frau (in den USA) gesendet wurde, die 1977 entführt und während der kommenden sieben Jahre weitgehend in Kisten und ähnlichen Behältnissen gefangen gehalten worden war – bis auf die Zeiten nachts, wo sie mit Handfesseln an einen Balken gehängt und mit einem Gürtel verprügelt wurde. Als das keinen Reiz mehr hatte, wurde sie quasi als Arbeitssklavin gehalten und kümmerte sich um Haus, Garten und Kind – das Kind des Entführers. So was wollte ich jetzt natürlich nicht unbedingt sehen, eher was Entspannendes. Soll ich darüber jetzt denken: „Das war ein unnötig hell beleuchteter Extremfall!“ oder „Man soll die Augen nicht vor unangenehmen Realitäten verschließen!“?

Dann ist da ein 290-kg-Japaner, der in eine spezielle Klinik nach China verschifft wurde und dort binnen vier Monaten 140 kg Gewicht verlor. Die Lösung: Maßvolles Essen und regelmäßige Bewegung.

Zuletzt läuft eine neue Serie an, über ein Ehepaar, dessen kleiner Sohn Autist ist. „Hikaru“ ist sein Name und der Name der Serie. Und jetzt weiß ich, dass „Autismus“ auf Japanisch „Jiheishô“ heißt – ob ich das mal brauche, ist allerdings was Anderes. Es bedeutet in etwa „Krankheit, bei der man sich selbst (vor seiner Umwelt) verschließt“. Yamaguchi Tatsuya (TOKIO) spielt die Hauptrolle als Vater des Jungen.
Das ist mir zu dramatisch… die Schwiegermutter macht natürlich die Mutter des Jungen für die Umstände verantwortlich, der Junge macht lauter Nonsens (wie zum Beispiel den Inhalt sämtlicher Schubladen auf den Boden zu werfen), und es fließen viele Tränen der Verzweiflung. Das muss nicht sein. Nicht ausgerechnet am Abend nach dem längsten Unitag der Woche, wenn ich leichte Unterhaltung brauche.

13. April 2024

Dienstag, 13.04.2004 – VIP Lehrer

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Ui, ein schöner, warmer Tag. Ich laufe die halbe Zeit im T-Shirt herum. Aber erst einmal habe ich den Vormittag frei und muss erst um 14:20 antreten. Bis dahin halte ich mich ab 11:00 im Center auf, und der Raum ist brechend voll.

Alex hatte letztes Jahr Interesse an einer Bergtour den Iwaki hinauf geäußert, hatte aber am entsprechenden Tag keine Zeit. Da ich dem Plan, eine zweite Tour zu machen, selbst nicht abgeneigt bin, frage ich ihn, wie die Sache stehe, und er meint, dass der Berg so ab Ende Mai wieder schneefrei sei. Dann könne man einen Aufstieg versuchen. Dann bleibt ja noch Zeit, um weitere Interessenten einzuladen (oder „anzuwärmen“).

BiRei erzählt mir, dass ihr Englischkurs schwer sei. Sprachen zu lernen, sei überhaupt eine schwere Aufgabe. Und in Naturwissenschaften sei sie auch nicht gut. Eigentlich könne sie gar nichts richtig – „Ich bin doof“, sagt sie. Immer langsam, junge Frau. Niemand, der ein Stipendium nach Japan erhält, kann allen Ernstes dumm sein. (Vielleicht ist das aber nur der Strohhalm, an den ich mich selbst klammere?)

Ich gehe in die Bibliothek und sehe mir ein paar Titel der 4000 (!) alten Automatenspiele an, die Frank mir dieser Tage auf CD-ROM per Post geschickt hat.

Um 14:15 gehe ich in den Unterricht von Kondô-sensei: „Business Management 1B“. Nein, ich habe keineswegs vor, auf die Wirtschaftslaufbahn zu wechseln. Der Unterricht erläutert lediglich Geschäftsmethoden in Japan, und ich dachte, das könnte interessant sein. Sind die Bodenpreise in Tokyo Ende der Achtziger nicht in astronomische Höhen gestiegen, weil das in den „Geschäftsmethoden“ einkalkulierte Schmiergeld für Bauaufträge so hoch geworden war? Wir werden wohl offizielle Versionen hören, während man mit den Korruptionsskandalen der vergangenen fünfzig Jahren wahrscheinlich eine ganze Vortragsreihe füllen könnte. Kondô-sensei scheint mir allerdings (diesem Fachgebiet angemessen?) über einen etwas zynischen Humor zu verfügen. Er hat führende Geschäftsleute aus der Region eingeladen, um über ihr Erfolgsmodell zu sprechen, und Kondô bittet uns ausdrücklich darum, höflich zu sein – weil derlei Leute ein übergroßes Ego hätten, wie er sagt. Am besten sollten wir unsere Fragen vorsorglich auf Englisch stellen, damit er sie in eine passendere Version übersetzen kann, falls notwendig.

Dann erzählt er, einfach so, dass neulich ein Freund von ihm verhaftet worden sei (ohne, dass das irgendwas mit dem Unterrichtsthema zu tun hätte), wegen „unanständiger Angelegenheiten mit Oberschülerinnen“, wie er sich ausdrückt. Ja, und? Nun, er sagt, dieser Freund sei hin und wieder im Fernsehen zu sehen – in den Börsennachrichten. Er kenne ihn von seiner Zeit an der Waseda Universität in Tokyo. Sie beide hätten dort Postgraduiertenlehrgänge in Wirtschaft unterrichtet, und jener Freund kommentiere ab und zu die japanische Börsenentwicklung im staatlichen Fernsehen. Ei, ei, ei… ein bekanntes Gesicht und auch noch ein Professor von der Waseda… ist der Ruf dieser Universität überhaupt noch zu retten, nach alldem, was man in den letzten beiden Jahren von dort so gehört hat?[1]
Und so als Anhang fügt er hinzu, dass jener Freund ein ordentlicher Professor gewesen sei, während er selbst nur einen „besonderen Lehrauftrag“ gehabt hätte, also keinen Lehrstuhl. Eigentlich sei er nämlich, bis zu seiner Pensionierung vor kurzem, der Generalverwalter der Mitsubishi-Bank gewesen. Aha!? Ich renke meinen Unterkiefer wieder ein und versuche zu verstehen, was der ehemalige Generalverwalter der hauseigenen Bank des Mitsubishi Keiretsu (Multikonzerns) in dieser verlassenen Gegend tut, anstatt sich in Odaiba niederzulassen und den Tag auf dem Golfplatz zu verbringen. Oh, er besitze immer noch sein Haus in Yokohama, aber er habe es vermietet und sei mit seiner Frau nach Hirosaki gekommen, weil die Universität ihn eingeladen habe. Aber er werde wohl nur zwei Jahre bleiben, da seine Frau die Vorzüge einer Großstadt sehr schätze und das Land langweilig finde. Vor allem habe seine Frau großen Spaß daran, mit ihrem Sportwagen zu fahren, und den könne sie während der Wintermonate hier im Norden zu ihrem Leidwesen nicht verwenden. Er selbst sei jedoch in Sapporo aufgewachsen und habe mit ländlichen Bedingungen keine Probleme. Ist es nicht schön, wenn man eine Aufgabe im Leben braucht und findet?
Nun ja, nach dieser ersten Stunde bröckelt meine Befürchtung dahin, dass wir von diesem Mann politisch korrekte Versionen der japanischen Geschäftsmethoden zu hören bekommen würden.

Nach dieser Einführung in seine Biografie gehe ich in die Bibliothek und schreibe zwei Berichte. Für viel Anderes reicht die verbliebene Zeit bis acht Uhr auch nicht mehr. Ich gehe im Anschluss nach Hause und lese weiter in meinem „revolutionären“ Buch.


[1] Es gab wohl mindestens zwei Selbstmorde von Studierenden und einen Fall von Gruppenvergewaltigung.

12. April 2024

Montag, 12.04.2004 – Hajime![1]

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute ist es einerseits zu warm, um mit Sommerjacke und Pullover unterwegs zu sein, aber der Fahrtwind ist andererseits zu kühl, um darauf zu verzichten.

Unser erster Unterricht offenbart einen Druckfehler im Vorlesungsverzeichnis. Yamazaki – und nicht Kashima-sensei – leitet den Unterricht. Ich hätte letzteren sehr begrüßt. Yamazaki ist lustig, aber auch kleinlich. Kashima maximiert den Spaßfaktor, und das mit einer wesentlich gesteigerten Umgänglichkeit. Außerdem versteht er mich, wenn mir mal wieder nichts anderes übrig bleibt, als eine Vokabel- oder Grammatikfrage auf Englisch zu formulieren. Aber man kann nicht alles haben.
Yamazaki-sensei erklärt uns daraufhin lauter Dinge, die die meisten im Kurs bereits wissen – nämlich die Feinheiten seiner Kursorganisation. Ich stelle fest, dass die meisten Leute vom letzten Semester noch immer hier sind – also bin ich nicht der einzige, bei dem kein Fortschritt auf dem Papier steht. Um 09:40 macht er dann Schluss.

Ich will in den Computerraum gehen, schon aus Gewohnheit, aber der ist unterrichtlich besetzt. Also bleibt mir nur die Bibliothek. Ich setze mich neben Yannick, schreibe vier Berichte, spiele einen Zug gegen Frank, schreibe ein paar Kommentare ins Animetric Forum und tausche dort meinen Avatar aus. Ein Avatar ist ein kleines Bild, das stellvertretend für den Autor steht. Ich verwende im Forum tatsächlich mein eigenes Gesicht als Avatar. Damit dürfte ich der einzige sein, der das hier tut, und einer der Wenigen, die überhaupt auf einen solchen Gedanken kommen.

Um 17:30 habe ich zwar noch eine Menge Zeit, weil die Bibliothek ja wieder bis um Acht geöffnet hat, aber ich will weg vom Monitor. Außerdem lockt mich mein Buch sehr. Um 22:45 schreibe ich meinen Tagebucheintrag und gehe dann schlafen.

[1] „der Anfang“, Startkommando beim Kampfsport.

9. April 2024

Freitag, 09.04.2004 – Extratour

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Die Testergebnisse hängen aus und erzählen mir, was ich auch vorher bereits wusste. Gleicher Level, gleiche Lehrer, Mittelstufe A. Die Organisation hat sich aber scheinbar geändert. Es gibt inzwischen auch einen „gehobenen“ Grundkurs. Mélanie Mathieu ist noch unter uns, Valérie hat den Test nicht mitgeschrieben, also wird sie es auch noch sein, ebenso Yannick (den ich seit einigen Tagen aber nicht mehr gesehen habe). Irena ist in die Oberstufe, Nan in die gehobene Mittelstufe aufgestiegen. Die chinesischen Namen kann ich nicht identifizieren, da ich die Schreibungen nicht erkenne. Aber ich werde früh genug erfahren, wer noch da ist und wer die Stufe gewechselt hat.

Ich gehe ins Center und rede einige Minuten mit Marc, bevor ihn irgendwelche Aufgaben der Organisation der Welcome Party am 16. April rufen. Ich rede auch noch ein paar Sätze mit Nim (sie sieht dünner aus, streitet das aber ab) und gehe dann in die Bibliothek. Aber auch dort bleibe ich nicht lange. Ich sehe nach meiner Post, finde, was ich suche, schreibe noch was ins Forum und verlege dann in den Computerraum, um mir die erste Handlungssequenz meines Gefechts gegen Frank anzusehen. Natürlich ist noch nichts los, und ich schreibe exakt das in meinen Spielbericht. Dann wende ich mich meinem Newsletter zu und schreibe bis zum Datum des 28. März, womit ich nur noch einen Rückstand von zwei Wochen habe. Ich sehe mir die Episoden 02 bis 04 von „Gunslinger Girl“ an und komme zu der Meinung, einen guten Griff getan zu haben.

Um 18:50 mache ich mich auf den Weg in die Sporthalle und bleibe dort bis 19:55. Dann fahre ich in den Beny Mart, weil ich noch was zu trinken brauche und will dann nach Hause. Zumindest ist das mein abwegiger Plan. Mir kommen nämlich zwei Eingebungen auf einmal: Als ich auf halbem Wege nach Hause auf die Uhr sehen will, stelle ich fest, dass ich sie im Umkleideraum habe liegen lassen, alle beide, und das wiederum bringt mich zu der Erleuchtung, dass ich mein Fahrrad aus unerfindlichen Gründen vor dem Supermarkt vergessen habe. Also… im Sturmschritt zum Supermarkt und mit überhöhter Geschwindigkeit zur Sporthalle zurück, wo ich alles noch an seinem Platz vorfinde. Um 20:30 komme ich dann endgültig zuhause an.

Wir schauen uns alles an, was wir innerhalb der vergangenen sieben Tage mangels Zeit auf Video aufnehmen mussten. Das wäre dann „Pretty Cure“, „Gokusen“ (der Anime), „Nadia“ und „SailorMoon“. Ich bin sehr erfreut darüber, dass NHK den Gainax-Anime „Fushigi no Umi no Nadia“ sendet. Ich kann die Serie zwar wahrscheinlich nicht komplett sehen, aber immerhin einmal die wichtigsten Originalstimmen hören. Und die sind sehr entspannend im Vergleich zu der deutschen Synchro. Nichts gegen Beate Pfeiffer, die Frau ist nett (ich habe ein paar Mails mit ihr ausgetauscht) und außerdem Saarländerin aus Neunkirchen, aber an ihre Stimme in dieser Hauptrolle musste ich mich erst gewöhnen, bevor ich Gefallen an der deutschen Version finden konnte – und das, bevor ich die japanische überhaupt kannte.

Die „SailorMoon“ Episode ist die von letzter Woche. Diesen Samstag kommt keine Folge, wegen irgendeinem bedeutenden Sportereignis. Die wichtigsten Dinge der Episode sind zunächst Mamorus Abreise nach London (nicht nach Amerika), wo er eigentlich mit Hina (seiner Verlobten) zusammen studieren wollte, aber sie sagt im letzten Moment ab. Und es gibt je einen Power-Up Gegenstand für jede der SailorSenshi. Das Ding sieht aus wie ChibiUsas „Kuhglocke“, nur ohne die Glocke – eben nur der Griff davon in Form eines (Plastik-) Reifs (grob in Sternform). Die Vorschau auf die nächste Woche zeigt eine Elfjährige im Senshikostüm, deren Name nicht verraten wird, und der paranoide Fan denkt sofort an ChibiUsa, aber eigentlich ist klar, dass es sich hier mit den dunkelblauen Haaren, den Katzenohren und dem Katzenschwanz nur um eine humanoide Luna handeln kann.

8. April 2024

Donnerstag, 08.04.2004 – Lesestoff

Filed under: Filme,Japan,My Life,Sport,Uni — 42317 @ 7:00

Heute findet von 09:00 bis 11:00 der Einstufungstest statt, der die teilnehmenden Studenten einer Unterrichtsstufe zuordnet. Wie bereits erwähnt, haben wir eine Menge neuer Gesichter in Hirosaki, und die sind vor allem chinesisch. Es scheinen diesmal keine Doktoren über Dreißig dabei zu sein, und Frauen um die Zwanzig sind in der Überzahl. FanFan sitzt vor mir und ist erfreulich kommunikativ. Ich nutze die Gelegenheit und mache ein Bild von ihr. Sie demonstriert mir eindrucksvoll (ungewollt) die Schwierigkeiten der chinesischen Aussprache: Ihr Familienname besteht aus einer einzigen Silbe, nämlich „Ma“ (was sich wie „Pferd“ schreibt), und es will mir nicht gelingen, dieser kleinen Silbe den richtigen Tonschwung zu verleihen. Das chinesische Tonsystem[1] verfügt über vier Arten von Tonverläufen, die bedeutungsunterscheidend sind. In ihrem Fall fällt die Tonhöhe nach dem „M“ zum „a“ hin ab, um am Ende des Lautes wieder zu steigen. Das klingt theoretisch ganz einfach, aber ein geübtes chinesisches Ohr ist nicht so leicht zufrieden zu stellen. Ich glaube, ich würde wirklich lieber Arabisch lernen.

Und dann knattern wir den Test durch, und einige „Veteranen“ bemerken, dass es der exakt gleiche Test wie beim letzten Mal vor einem halben Jahr ist. Aber was würde es mir bringen, mich an Testaufgaben zu erinnern? Am Ende würde ich in einer Lernstufe landen, die meinen Fähigkeiten nicht entspricht. Ich werde aber wohl in der gleichen Stufe landen, weil ich mich am Ende nicht sonderlich erfolgreich fühle.

Für 13:00 ist eine Informationsveranstaltung über „Leben in Hirosaki“ geplant, aber die kann ich beruhigt weglassen. Ich weiß inzwischen, wie man Müll trennt. Der nächste „offizielle“ Termin ist morgen früh um 09:00, und er beinhaltet das Ablesen der Testergebnisse und das provisorische Planen meines Stundenplans.
Ich schaue Irena dabei ein wenig über die Schulter, die sich schon jetzt um ihren Stundenplan bemüht, weil sie das Vorlesungsverzeichnis vor sich liegen hat, und ich finde Veranstaltungen, von denen ich nicht weiß, ob sie mich interessieren. „Traditionelle Sportarten Japans“? Nein danke. Man erinnere sich daran, was ich vor einiger Zeit über den in Japan tief verwurzelten Formalismus gesagt habe. Beim Kendô lernt man zuerst mal das Knien, beim Sumô das Wasser holen und Handtuchhalten. Dann gibt es „Kunstformen in Tsugaru“. Das klingt an sich interessant, aber da steht schon wieder Kôgin-Stickerei auf dem Plan, und das habe ich beim letzten Mal schon so unsäglich genossen. Musik ist nicht dabei… eine Shamisen-Vorstellung hätte mich überredet, mich einzutragen.
Ich kann auch keine Veranstaltungen finden, die von Philips oder Westerhoven angeboten werden (dessen Namen man tatsächlich mit „W“ und nicht mit „V“ schreibt – ich hatte letztlich ein Buch von ihm in der Hand). Carpenter ist auch nicht dabei… ich warte bis morgen und mache meinen Plan dann.

Ich gehe wieder in den Computerraum und plane meinen Spielzug gegen Frank, der heute endlich die entsprechende Datei geschickt hat. Dann schreibe ich zwei Berichte und finde eine Mitteilung von Prof. Fuhrt vor, in der er mich wissen lässt, dass die beiden Bücher, die ich bestellt hatte, angekommen seien. Ich könne sie heute abholen, wenn ich wolle, oder nächste Woche in die Sprechstunde kommen. Ich antworte, dass ich versuchen werde, am Nachmittag in seinem Büro vorbeizukommen. Ich verfasse noch ein paar Einträge für das Animetric Forum und gehe um kurz nach Vier zu meinem Betreuer. Er drückt mir die Bücher in die Hand und meint, die 2000 Yen, die ich eigentlich noch zu zahlen hätte, habe er aus dem Resthaushalt (gültig bis 31.03.) abgezweigt. Wow, vielen Dank. Ich brauche jeden Yen.
Ich lasse mich noch über die aktuelle Lage der Universität aufklären, seit sie ja am 01.04. zu einer „Anstalt des öffentlichen Rechts“ teilprivatisiert worden war. Wie erwartet, sei das Budget gekürzt worden und die Adleraugen des Bildungsministeriums lägen paradoxerweise sogar noch schärfer auf der Lehranstalt als vorher, sagt er. Er erzählt weiterhin, dass bis vor wenigen Jahren jeder Professor (unabhängig von seiner Forschung oder Lehre) ein jährliches Budget von 550.000 Yen für Bücher und 90.000 Yen für Forschungsreisen gehabt habe (ca. 4100, bzw. ca. 670 E), und dass dieses System nun geändert worden sei. Jetzt habe jeder ein Budget von insgesamt 430.000 Yen insgesamt (ca. 3200 E), aber man könne über die Verteilung von Literaturanschaffungs- und Reisekosten selbst entscheiden, was ein Lichtblick sei, weil man mit einer Reisekasse von nur 670 E im Jahr nicht weit komme.

Ich bedanke mich für das Gespräch und gehe in die Bibliothek, weil ich ein paar Zeilen über meine vorgenommene Befehlsphase im Spiel gegen Frank zu schreiben will, aber ich kann mich an Details schon nicht mehr erinnern. Ich verlege also wieder in den Computerraum, werfe das Spiel an und sehe mir den Zug noch einmal an. Ich will zum Beispiel die Namen der Truppen nicht umsonst umgeändert haben – bekannte Namen machen die Handlung plastischer, und deswegen nenne ich sie auch in meinem After Action Report. Ich verwende für meine Truppen normalerweise die Namen meiner Bundeswehrbekanntschaften, allerdings sprengt dieses Spiel den bisherigen Rahmen und ich muss auf „noch ältere“ Kontakte zurückgreifen. Karl und Mihel haben in meiner (deutschen) Aufstellung ja schon länger den Job als Panzerfahrer sicher, aber Ronald hätte es sich wohl nicht träumen lassen, dass er mal als OG Saladin in einem Halbkettenfahrzeug landen würde, und Sebb würde sich in einem Kübelwagen wohl ziemlich verloren vorkommen. Irgendwie ist es auch interessant, dass Frank einen deutschen Leutnant treffen wird, der nach ihm benannt ist… der auch noch einen höchst brisanten Job hat.

Ich schreibe danach einen weiteren Newsletter, sammele weitere Abschnitte des „Alpha Reports“ und gehe um 18:50 in den Fitnessraum. Ich habe sogar Wechselkleidung mitgebracht. Aber entgegen meiner Hoffnung kann man die Duschen der Turnhalle nicht benutzen. Das Material ist angerostet und der Boiler außer Funktion. Wasser läuft zwar, aber kalt duschen mochte ich noch nie.
Ich gehe alle Geräte zweimal durch, mit jeweils drei lockeren Wiederholungen, die wegen ihrer Anzahl anstrengend sein sollen, und nicht wegen dem Gewicht am anderen Ende des Zugseils. Immer die Hälfte des Machbaren. Ich teile den Raum mit zwei Japanern, die das wiederholen, was ich beim letzten Mal bereits beobachten konnte: Sie nehmen sich Gewichte vor, die sie gerade so und nur unter großen Mühen höchstens fünfmal stemmen können und fühlen sich danach wie die Könige. Ui, und einer zieht sogar sein Hemd aus. Ich lächle unauffällig in mich hinein. Seine Arme mögen (für einen Japaner) überdurchschnittlich sein, aber das, was dazwischenliegt, möchte ich mal als „Hühnerbrust“ bezeichnen. Unn die mache so gudd, die zwei! Ich muss mich arg konzentrieren, um angesichts ihrer Geräuschkulisse nicht in lautes Lachen auszubrechen. Wie Herkules mit Verstopfung auf dem Donnerbalken.

Um Acht verlasse ich die Halle wieder und fahre nach Hause. Melanie hat „Freddy Vs. Jason“ ausgeliehen und ich bin überrascht, dass mir der Film gefällt. Sehr klassische Horrorelemente, der Kampf der beiden Bösewichte ist interessant – und den Soundtrack will ich auch haben.


[1] Mandarin, um genau zu sein. Kantonesisch z.B. hat sechs Töne.

7. April 2024

Mittwoch, 07.04.2004 – Körperliche Ertüchtigung

Filed under: Filme,Japan,My Life,Sport,Uni — 42317 @ 7:00

Am Morgen trage ich mich im Center in die entsprechende Liste ein, um mich für den Placement Text anzumelden. Ich müsste das eigentlich nicht tun, aber ich bin neugierig, obwohl ich nicht damit rechne, eine Stufe zu steigen – ich habe die Ferien über mit Hochdruck an meinem Newsletter gearbeitet und die Freiheit genossen, mal wieder Romane zu lesen, die absolut nichts mit meinem Studium zu tun haben. Und ich habe das sehr genossen!
Als nächstes sehe ich auf einem der Rechner ein aufgeklebtes Hinweisschild, dass der Computer am 09. April gelöscht und neu installiert werde. Das ist doch was. Oh, aber es ist der Rechner, auf dem sich meine Fotos befinden, und der Neunte ist bereits übermorgen. Ich schreibe Misi sofort eine kurze Mail, in der ich ihn bitte, mir zur Rettung meiner Fotos seinen Memorystick zu leihen, und das so schnell wie überhaupt möglich.

Von Frank ist noch immer keine Post da, also gehe ich in den Computerraum und schreibe zwei Berichte, bis ich eine Antwort von Misi erhalte. Ich könne ihn den ganzen Tag über in der Bibliothek oder im Center antreffen. Ich schreibe den zweiten Bericht also fertig und mache mich auf den Weg ins Center, aber ich treffe ihn bereits an der Tür, und Melanie gleich dazu, die zufällig zur gleichen Zeit eingetroffen ist. Ich bekomme den Memorystick und verlege ins Center. Misi geht mit und erzählt mir auf dem Weg, dass es an der Universität hier einen kostenlos nutzbaren Fitnessraum gebe. Er wolle sich am Abend dort mit Irena und Alex treffen, der wieder aus Rumänien zurückgekehrt sei. Alex war es auch, der ihn auf die Möglichkeit hingewiesen hat. Ich bin interessiert. Dann solle ich ihn um 18:00 vor der Mensa treffen – aus der gegebenen Beschreibung kann ich die richtige Turnhalle nämlich nicht erkennen, weil die Turnhallen alle gleich aussehen. Anstatt mir das Gebäude zu beschreiben, hätte er vielleicht den Weg dorthin in seine Erläuterungen mit einbeziehen können.

Aber erst muss ich meine Daten von diesem ewig langsamen Rechner retten. Das Übertragen von Misis Daten auf den Computer dauert etwa sieben Minuten, das Löschen des Speichers nimmt etwa zwei Minuten in Anspruch, und dann sind für die Übertragung meiner Fotos auf den Speicher noch einmal sieben Minuten fällig. Es dauert… meine Daten müssen ja noch auf den anderen Rechner, der Speicher muss wieder gelöscht werden, um Platz für Misis temporär ausgelagerte Dateien zu machen, die ebenfalls wieder rauf müssen.

Ich bemerke eine Menge neuer Gesichter im Center, und die meisten davon sind asiatisch. Der Sprache nach zu urteilen, habe ich sieben oder acht neue Chinesen und vielleicht eine Koreanerin vor der Nase sitzen. Es sind auch zwei „westliche“ Menschen dabei – männlich und weiblich. Er sitzt an einem der Rechner und will eines der Chatprogramme zum Laufen kriegen, aber er hat ein Problem. Also kommt er damit zu mir, weil ich der einzige bin, der ihm nicht das Gefühl gibt, Japanisch sprechen zu müssen. Er fragt mich, ob ich des Englischen mächtig sei, und er spricht mit einem auffälligen amerikanischen Akzent. Er ist einen Kopf kleiner als ich… eher noch kleiner. Er will wissen, wie man die Tastatureingabe der Computer von Japanisch auf Englisch umschaltet, und ich zeige es ihm. Ich verzichte darauf, weitere Fragen zu stellen. Erstens will er ja chatten und zweitens bin ich selbst beschäftigt. Ich übertrage meine Bilder auf einen der Windows 98 Rechner. Das bedeutet, ich kann meine Bilder wirklich nur zwischenlagern, bis ich die Gelegenheit erhalte, sie auf einen XP-Rechner zu übertragen, weil die Windows 98 Rechner den nötigen Treiber für meine Kamera nicht haben und auch nicht akzeptieren. Also abwarten.

Danach gehe ich nach langer Zeit wieder in die Bibliothek. Die Stühle im Physikgebäude sind mir zu unbequem, und da Frank noch nicht geantwortet hat, besteht auch kein Anlass, einen „diskreten“ Computer zu verwenden. Ich schreibe zwei weitere Berichte und ein paar Einträge ins Forum.

Um 17:50 gehe ich zur Mensa. Ich will nicht mit nüchternem Magen Sport treiben und kaufe mir ein Reisbällchen. Und es wird das letzte sein, das ich hier kaufe. Die Dinger bröseln mir immer auseinander, sobald ich hineinbeiße.

Misi trifft um kurz nach Sechs ein, Irena zwei Minuten später. Wir gehen zu der fraglichen Sporthalle und treffen Alex. Da man im Inneren nur Turnschuhe tragen darf und ich keine besitze, leihe ich mir welche aus den Schuhfächern am Eingang.
Der Fitnessraum an sich sieht eigentlich schäbig aus. Die Geräte sind alt und zum Teil kaputt oder unbenutzbar. Eines kann ich hinbiegen, indem ich das Zugseil aus seiner Verklemmung befreie und wieder über die Laufrolle lege. Ich probiere alles mal aus und drehe dann eine Runde durch den Raum und dann noch eine, und dann ist es auch schon sieben Uhr. Irena hat sich um 18:30 bereits verabschiedet, der Raum ist ihr wohl zu männlich, und ich gebe ihr vollkommen Recht. Da ich allerdings selbst männlich bin, macht mir das weniger aus. Und wieder einmal erhalte ich die Gelegenheit, mit einem Japaner zu reden. Es handelt sich um einen der Fußballspieler, die gerade Training haben, in der Halle nebenan. Im Großen und Ganzen beantworte ich seine Fragen, ohne wirklich viel zu sagen.

Um kurz nach Sieben verlasse ich den Raum mit Misi und Alex, aber wir biegen in die Sporthalle ab, weil wir im Vorbeigehen ein Volleyball-Team erspähen – ein weibliches natürlich. Wir steigen also zur Empore der Halle hoch, wo gewöhnlich die TaeKwonDo Clubs trainieren und auch ein paar Tischtennisplatten herumstehen. Wir bearbeiten erst den Sandsack ein bisschen und leihen uns dann von den anwesenden, aber reichlich inaktiven Spielern zwei Schläger, um etwas Ping Pong zu spielen. Natürlich bin ich schlecht wie eh und je… ich würde lieber mal wieder Badminton spielen. Zwischendurch sehen wir den Volleyballerinnen beim Training zu. Einen Trainer gibt es nicht, man arbeitet nach dem Senioritätsprinzip – erfahrene Spielerinnen leiten die neuen an. Auffällig ist ebenfalls, dass jungen Damen alle ausnahmslos groß sind. Im Schnitt etwa 170 cm würde ich schätzen, plus/minus zehn Zentimeter, und das liegt deutlich über der von mir täglich beobachteten Durchschnittsgröße.[1]
Um 20:15 gehen wir dann endgültig. Misi und Alex wollen sich eine der Unterhaltungs-Sport-Sendungen ansehen, aber ich will nach Hause. Ich bin hungrig und das nicht zu knapp.

Ich sehe mir mit Melanie dann „Zatôichi“ an, mit Kitano „Beat“ Takeshi in der Hauptrolle. Er spielt einen anscheinend blinden Schwertkämpfer gegen Ende der Edo-Zeit (ein Revolver wird gezeigt, daher die Schätzung), der unter einem Yakuza-Clan aufräumt. Sehr blutig. Leider sind alle Bluteffekte am Computer gebastelt worden – und das würde noch nicht einmal auffallen, wenn die Schwertklingen in den durchbohrten Leibern der Gegner nicht eine solche Bewegungsfreiheit hätten. Hin und wieder gibt es auch Musikeinlagen, die überhaupt nicht in das Setting passen wollen – wie zum Beispiel die Stepptanznummer am Schluss, die den Charakter eines Musicals aufweist. Für sich allein ist das jedoch eine sehr interessante Nummer. Insgesamt handelt es sich um einen ansprechenden Film, der nicht nur Takeshi Fans gefallen dürfte. Wie es scheint, handelt es sich dabei um das Remake eines Schwarzweißfilms.


[1] Eine der Spielerinnen war eine Handbreit größer als ich. Leider gibt es kein Foto.

2. April 2024

Freitag, 02.04.2004 – Der Tod des Wochenendes

Filed under: Japan,Musik,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Um 09:00 sehe ich aus dem Fenster, und was leuchtet mir da entgegen? Schnee! Es schneit! Jetzt war bereits die ganze Woche über bester Frühling, ich habe die Winterjacke längst in den Schrank gestopft und das Sommermodell herausgekramt, und jetzt das! Also gehe ich zur Uni – ja, zu Fuß.

Ich setze mich an die entsprechenden Rechner und sehe, dass „Beru Bara“ mittlerweile mit 22 Episoden vertreten ist. Um den Speicherplatz auf dem Rechner nicht weiter zu belegen, will ich die Daten brennen – aber die Nero.exe Datei funktioniert nicht (wie so ziemlich alles auf diesem völlig zerschossenen Müllhaufen). Aber das sollte kein Problem sein. Ich versuche, das Programm von meiner Daten CD aus zu installieren… aber auch das funktioniert nicht, aus nicht näher genannten Gründen. Mein linkes Auge zuckt unkontrolliert. Aber es gibt ja noch Alternativen. Auf dem Computer befindet sich ein funktionierender Real-Media-Player, inklusive Software zum Brennen von CDs. Ja, bis auf die Episoden 11 und 12 geht auch alles glatt – bei denen liegt wohl ein Fehler vor… na klasse. Dann muss ich die einzeln besorgen. Wann auch immer. Aber jetzt reicht’s! Ich nehme mir den Block auf dem Schreibtisch von Sawada-sensei vor, beschreibe den unhaltbaren Zustand der Computer und schlage vor, alle Rechner komplett neu zu installieren und dabei auch nicht ein einziges Bit von dem alten Müll übrig zu lassen.

Dann gehe ich ins Physikgebäude und schreibe Berichte. Franks Spielzug für CM ist noch immer nicht da… die nehmen ihn zuhause arbeitsmäßig offenbar schwer an die Kandare. Natürlich bin ich ungeduldig… vielleicht sollte ich den „Maulwurf“ gegen Misi anleiern, wie ursprünglich geplant, um die Lücke zu schließen.

Nach drei Berichten sehe ich mir die ersten vier Episoden von „Area 88“ an. Der Soundtrack gefällt mir… „Mission (Fuga)“ heißt der Titelsong. Schöne Technoversion eines klassischen Stückes, dessen Name mir entfallen ist. Eine Fuge von Bach. Hm… andererseits weiß ich auch nicht, ob das Stück außer „Fuge“ überhaupt noch eine genauere Bezeichnung hat. Vielleicht ist es ja die Fuge von Bach? Wie dem auch sei… ich wollte auch den recht offensichtlich holländischen Namen des Komponisten (dieser Remix Version) abschreiben, aber leider fällt mir dabei auf, dass ich meinen Kugelschreiber im Center habe liegen lassen.
Um 17:00 verlasse ich das Gebäude und gehe mit Melanie ins Center, um meinen Kugelschreiber zu bergen. Er war zwar umsonst, aber es ist ein guter Kugelschreiber. Er liegt noch auf dem Block, auf den ich geschrieben habe. Sawada-sensei hat bereits etwas darunter geschrieben: Am Abend werde sich jemand darum kümmern.

Tatsächlich sehe ich unseren Zuständigen an den Rechnern herummachen. Ich sehe mal zu, was er so macht, und… was macht der Mann da!? Er hat die Rechner defragmentiert, die Netzverbindung immerhin wiederhergestellt und einen Virenscanner drüberlaufen lassen. Soll das alles sein? Das System ist doch jetzt noch genauso ausgelutscht und langsam wie vorher! Ein Reinstallation macht halt mehr Arbeit… die dieser Mann entweder scheut oder zu einem genehmeren Zeitpunkt nachholen will. Ich gehe derzeit optimistisch von letzterem aus. Da muss ich mir doch an den Kopf fassen… ich gehe lieber nach Hause, bevor mich hier das Grauen packt.

30. März 2024

Dienstag, 30.03.2004 – Keine Veränderung

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Die entsprechenden Rechner im Center sind noch immer ohne Verbindung zum Internet. Ich scanne also nur die beiden Covers der EVA Storyboardbücher, die noch unter meinem Schreibtisch liegen. Die Bücher landen bei E-Bay, sobald ich in den Computerraum komme.

Mein Bruder schreibt weiterhin eher beruhigende Neuigkeiten. Unser Vater darf sich vom Rauchen natürlich verabschieden… was ich in keinster Weise bedauere. Ich frage mich allerdings, was mit seinem Kaffeekonsum ist… immerhin trinkt er pro Tag so viel Kaffee wie ich Zitronentee – und mein Verbrauch ist geradezu legendär.

Ich schreibe Kommentare ins Animetric Forum und zwei oder drei Berichte, bis man mich um 17:15 rausschmeißt. Die Luft riecht nach Regen, also fahre ich lieber gleich nach Hause und lese weiter in meinem Buch.

29. März 2024

Montag, 29.03.2004 – Touring

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Es ist Montag, ich komme also wieder an die Computer, um meine Post zu prüfen. Aber die Windows 98 Rechner im Center sind noch immer offline. In Folge dessen kann ich meine eigenen Mails vom Server nicht ausdrucken, weil die Rechner, die Netzverbindung haben, keine stehende Druckerverbindung oder kein funktionierendes Textverarbeitungsprogramm haben. Wenn ich was drucken will, muss ich es mit einer Diskette auf einen der 98er Rechner transferieren. Eine ganz tolle Wurst ist das! Auf dem gleichen Wege besorge ich mir dann die Scans meiner zu verkaufenden Artbooks – ich scanne das Material auf dem dafür vorgesehenen Windows 98 Rechner ein, speichere das Bild auf Diskette und transferiere es später auf einen der Unirechner, von wo aus ich für gewöhnlich „operiere“. Ich verziehe mich dazu in den Computerraum und lese Post: Was schreibt mein Bruder da? Unser Herr Vater trägt sich mit dem Gedanken, am Mittwoch bereits das Krankenhaus wieder zu verlassen? Ich dachte, der hätte was am Herz und nicht am Kopf!

Um kurz nach Fünf verlasse ich den Raum wieder, und weil es ein schöner Tag ist, fahre ich in die Stadt.
Im Daiei hat der 100-Yen-Shop neu eröffnet und ich wollte mal reinsehen. Das Ding ist neuerdings doppelt so groß wie vorher. Ich kaufe eine Packung Kekse, weil es 300 g für 75 Cent sind… weil aber Kekse trocken sind, kaufe ich auch noch eine große Dose Milchkaffee, um die Kekse den Hals hinunter zu spülen. Die Kekse sind ganz gut, muss ich sagen, aber für einen billigen Milchkaffee ist das Produkt hier wirklich schmackhaft.
Ich fahre auch im Naisu Dô vorbei. Die beiden Artbooks, die ich vor drei Monaten zurückgelegt hatte, sind immer noch da. Dann hoffe ich einfach mal, dass sie nächsten Monat immer noch da sind. Diesen Monat habe ich mein geschrumpftes Luxusbudget bereits aufgebraucht. Ich begebe mich also wieder Richtung Heimat, währenddessen wird es dunkel. Ich habe mir auch schon lange nicht mehr so viel Zeit gelassen wie heute. Außerdem fahre ich heute nur über Nebenstraßen.

Ganz in der Nähe von dem Haus, wo Yui (noch) wohnt, befindet sich eine Kirche, und neben der Kirche befindet sich ein kleiner Park. Auf den ersten Blick dachte ich, dass es sich dabei um eine der üblichen Stadtanlagen handele, vielleicht 50 x 20 Meter groß, um ein paar Bäume als Alibi in der Stadt zu haben. Ich fahre eine Runde im Inneren der Grünanlage und muss stattdessen feststellen, dass das Gelände gar nicht so klein ist, wie ich dachte. 100 x 50 Meter dürften es schon sein. Ich entdecke einen großzügigen Spielplatz, störe ein Pärchen beim Küssen (markanter Geländepunkt: Kleine Hütte auf kleinem Hügel) und finde eine Art Brückenpfad. Der Untergrund verrät mir, dass hier im Sommer wohl Wasser fließt. Könnte ein schönes Plätzchen sein. Und Hunde müssen draußen bleiben.

Um ca. neun Uhr bin ich zuhause und wegen meiner Kaffee-und-Keks Einlage nicht sonderlich hungrig, also esse ich nur ein paar Sushi und hebe den Reis für das Frühstück auf.

26. März 2024

Freitag, 26.03.2004 – Von der Sense gehüpft

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Melanie steht früh auf, weil sie um 08:30 im Center sein will, um mit Steffi zu chatten Ich stehe um 09:00 auf und bin um 10:10 vor dem Center. Da hängt immer noch ein Schild aus: „Von 08:00 bis 10:00 geschlossen“… Dann wird Melanie mit ihrem Vorhaben wenig Glück gehabt haben.

Ich nehme Platz und rufe meine Post ab. Mein Bruder schreibt, dass der Zustand unseres Vaters noch immer nicht der beste, dass er aber immerhin über den Berg sei. Das beruhigt mich sehr. Ich befinde 52 Jahre als kein gutes Alter, um bereits den Löffel abzugeben, ganz ungeachtet der Tatsache, dass es um meinen eigenen Vater geht.

Ich brenne im Anschluss die übrigen neun der dreizehn Episoden von „Gunslinger Girl“. Bin gespannt, wann ich dazu komme, die Serie auch anzusehen… derzeit mangelt es mir an Zeit dafür. Ich denke einen Augenblick darüber nach, vielleicht eine Kopie zu machen und an meinen alten BW Kameraden Ritter zu schicken. Ich kenne sonst keinen, der sich (ungesehen) dafür interessieren könnte, aber andererseits weiß ich nicht, ob er die Serie nicht vielleicht bereits hat (oder was er überhaupt hat) und es wird ihn nicht umbringen, wenn er warten muss, bis ich zurück bin.

Die Windows 98 Rechner im Center haben heute keinerlei Verbindung zum Netz, und die Hälfte der XP Rechner auch nicht, aber bei zumindest zweien davon ist das nichts neues. Wenn aber von elf verfügbaren Computern nur drei halbwegs so funktionieren, wie sie das sollen, dann ist das etwas übertrieben. Ich sollte eine Notiz auf dem Mitteilungsblock von Sawada-sensei hinterlassen (was ich natürlich verschiebe und vergesse).

Um 13:30 wechsele ich in den Computerraum, das Center schließt heute sowieso bereits um 14:00. Dort kommt Misi auf mich zu und fragt mich, ob ich ihm mein Fahrrad leihen könnte, da er seines von Alexej abgesperrt und ohne Schlüssel zurückerhalten habe. Er wolle deshalb zu dem Russen fahren und seinen Schlüssel abholen. Er sagt, er werde mein Fahrrad am großen Parkplatz abstellen. Alexej wird übrigens in wenigen Tagen nach Hause zurückkehren, seine beiden Semester sind um.

Ich schreibe drei Berichte bis um 17:00, und mache mich dann daran, mit Melanie nach Hause zu gehen. Es regnet. Nicht stark, aber immerhin. Ich entdecke mein Fahrrad an der Kante des Überdaches am Eingang des Gebäudes, und natürlich ist es nass geregnet. Aber die Tüte, die ich ständig über den Sattel stülpe, macht sich wieder bezahlt. Auf dem Fahrradparkplatz treffe ich Tei, den Programmierer aus meinem letzten Japanischkurs, und nutze die Gelegenheit dazu, ein Foto von ihm für mein Posterprojekt zu machen und seine Mailadresse einzusammeln. Ich fahre also mit Melanie nach Hause, über die nasse Straße. Auch dieses Fahrrad hat keine Schutzbleche, also durchnässt das Spritzwasser, das der Reifen von der Straße aufnimmt, meine Hose und ich bin ganz begeistert von diesem Umstand. Aber besser auf dem Heimweg als auf dem Weg zur Uni. Ich sollte mir jetzt, nach Ende des Winters, wieder angewöhnen, eine Hose zum Wechseln im Rucksack mitzuführen, für exakt diesen Fall.

24. März 2024

Mittwoch, 24.03.2004 – Zeugnistag

Filed under: Bücher,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Ich gehe mal wieder an mein Postfach im Sekretariat meiner Fakultät und finde mein Zeugnis vor. Aha… die Sprachkurse habe ich bestanden (ich muss annehmen, dass mich meine Mitarbeit im Unterricht über die 60 % Marke gerettet hat), für die Seminare „Kulturgeschichte von Tsugaru“ und „Einführung in das Studium des Buddhismus“ habe ich sogar eine A-Note bekommen. Für das Literaturseminar habe ich natürlich keine Note bekommen, weil ich die Hausarbeit nicht geschrieben habe. Dennoch habe ich die 14 Leistungspunkte, die ich brauche, erreicht, und ich weiß, dass ich bei der nächsten Gelegenheit gegen eine Hausarbeit und für eine Endklausur stimmen werde.

Ich packe das Zeugnis ein und gehe ins Center. „Gunslinger Girl“ ist komplett verfügbar. Dann brauche ich ja nur noch den Memorystick, um das Material verschieben zu können. Aha… und MinJi ist aus dem Heimaturlaub zurück. Ich frage sie, ob ich ein Foto für mein „Poster Projekt“ machen dürfe, aber sie sagt, dass sie heute nicht gut aussehe und es gerne verschieben wolle. MinJi… nicht gut… aussehen? Ich habe hier noch keinen Tag erlebt, an dem sie nicht gut ausgesehen hätte… dann warte ich noch eine Weile. Ich will mich dann aber auch nicht mehr lange aufhalten und gehe in den Computerraum. Ich bearbeite zuerst meine Post (inklusive dessen, was von gestern noch übrig ist), dann schreibe ich drei Berichte und versende das Material über den Zeitraum vom 10. bis zum 16. Februar.

Ich kann auch endlich das Spiel mit Frank in Bewegung setzen und schicke ihm die erste Textdatei. Ich hatte noch keine Zeit, den Auftakt meines Berichtes, über meine Aufstellung usw., zu schreiben. Aber da ich den Verteidiger spiele und die gegnerische Truppenzusammensetzung bis ins kleinste Detail kenne (weil ich die Karte ja selbst gebastelt habe), inklusive des Zeitpunkts, zu dem die Verstärkung eintrifft, muss ich darüber schon mal nicht allzu viel schreiben. Ich weiß, was mich erwartet und es wird nicht einfach. Auf jeden Fall habe ich beschlossen, den Bericht halb-prosaisch zu schreiben… wohl aus der Sicht des Kommandeurs, ohne Dialoge. Vielleicht kann ich auch den einen oder anderen Abschnitt für mein Rollenspiel „Code Alpha“ brauchen oder zumindest irgendwie verwursten.

Ich schaue bei Animetric vorbei und finde ein paar interessante Neuigkeiten. Der Anime „Ah! Megami-sama!“ soll offenbar eine Art Fortsetzung erfahren, und die japanische Vertriebsfirma Toei wird die Lizenz der Animeserie „SailorMoon“ in Nordamerika nicht verlängern – sie läuft am 01.04. aus und keiner weiß, warum. Toei wird die Entscheidung getroffen haben, die sie für das Unternehmen als die beste betrachten, aber die Verkäufe der Serie in den USA scheinen nicht so gering gewesen sein, dass es sich nicht gelohnt hätte. Wenn die Lagerbestände weg sind, gibt’s nichts mehr.

Um 17:00 erscheint ein Textfeld auf dem Bildschirm, das mich an die Schlusszeiten erinnert. Ich gehe ins Center und hole Melanie ab. Wir wollen mal wieder eine Schüssel Ramen essen. Wir gehen aus alter Gewohnheit ins „Bunpuku“, und dort weht wirklich ein neuer Wind. Die ältliche Dame ist durch eine jüngere (um die 40) ersetzt worden, die sich in diesem Metier nicht ganz so wohl zu fühlen scheint, wie ich das von ihrer Vorgängerin zumindest dachte. Die Speisekarten sind komplett neu, um 50 % des alten Angebotes gekürzt und um zwei oder drei neue Angebote bereichert. Na gut, ich probiere Chashû- und Melanie nimmt Yakiniku-Ramen.
Und so lange habe ich noch nie auf mein Essen warten müssen. Ich habe die Zeit nicht gestoppt, aber eine halbe Stunde war es auf jeden Fall. In Ordnung, der Laden ist voll, und wir mussten vorerst an der Theke Platz nehmen, bis ein Tisch frei wurde, aber dennoch finde ich, dass man so lange auch nicht warten müssen sollte. Schließlich reden wir hier über Nudelsuppe und nicht über Ente à l’Orange.

Wir gehen danach noch einkaufen und dann nach Hause. Ich lese Robotergeschichten von Asimov und bewundere die Zukunftsgläubigkeit der Menschen in den fünfziger Jahren. Asimov ging damals davon aus, dass bereits 1998 (die Zahl wird genannt) Roboter für den Hausgebrauch verfügbar seien. Interessant dabei ist, dass das Modell von Roboter, das er beschreibt, auf zwei Beinen gehen (und rennen!) kann und aufgrund technischer Einschränkungen zwar keine Sprachausgabe hat, aber über eine derart komplexe künstliche Intelligenz verfügt, dass der Roboter gesprochene Kommandos versteht und sogar als Spielkamerad für Kinder geeignet ist.
Betrachtet man nun heute, im Jahre 2004, den ASIMO von Honda… der kann auf zwei Beinen gehen, ist aber noch weit davon entfernt, rennen zu können (man geht derzeit davon aus, dass das noch knapp 20 Jahre dauern könnte), er kann Fragen beantworten, verfügt aber nicht über eine echte Sprachsynthese, und davon, dass Roboter auf eigene Initiative hin handeln und komplexe inhaltliche Zusammenhänge von gesprochener Sprache erkennen und verarbeiten können, sind wir wohl noch weit entfernt. Ich habe ja vor einigen Wochen erwähnt, dass die Robotik davon ausgeht, dass Fußballspiele, Menschen gegen Roboter, etwa um 2050 möglich sein sollten.

Melanie sieht sich weiterhin irgendwelche TV-Serien aus der Videothek an, während ich lese. Um 22:00 beschließe ich, Schluss zu machen – aber wie ich mich kenne, bedeutet das bestenfalls, dass ich noch vor Mitternacht unter meiner Bettdecke sein könnte.

5. März 2024

Freitag, 05.03.2004 – Slang-Studien

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Melanie steht bereits um 07:00 auf, weil sie um 08:00 eine Verabredung mit Steffi hat, um über den halben Globus hinweg ein bisschen per Computer zu chatten. Ich bleibe liegen und stehe erst um 08:00 auf; und beginne langsam mein Tagesgeschäft.

Um kurz nach Zehn bin ich im Center, wo Melanie noch immer mit Steffi zu Gange ist. Ich will mich nicht in den Chat einmischen und verzichte auf drei Sätze Smalltalk. Ich mag weder Chat noch Smalltalk. Ich hoffe, Steffi nimmt das nicht persönlich. Ich habe meine in letzter Zeit gekauften Singles und Maxis mitgebracht und speichere die Lieder als MP3 Dateien auf der Festplatte, bevor ich diese auf eine Daten CD brenne. Irgendwann werde ich dann ein paar wenige Musik-CDs mit jeweils etwa 80 Minuten Spielzeit daraus machen. Ich finde es nämlich störend, alle paar Minuten die CD wechseln zu müssen, weil auf den CDs, die ich gekauft habe, jeweils nur zwei oder drei Songs drauf sind. Dann fasse ich die Dinger lieber zu eigenen Sammlungen zusammen.

Ich erkläre bei der Gelegenheit auch Paula, wie das funktioniert, weil sie gerade mit dem Brennen einer Audio CD Probleme zu haben scheint. Aha, ich sehe das Problem. Nein Paula, man kann keine CD von 80 Minuten Spielzeit brennen, wenn auf der Scheibe bereits 200 MB andere Daten gespeichert sind. Wie man eine Re-Write CD-ROM neu beschreibt, weiß ich allerdings nicht. Ich gebe ihr eine meiner leeren CDs für ihr Vorhaben, und sie geht im Anschluss gleich einkaufen, um meine Leihgabe zu ersetzen.

Um 14:00 kommt Yui und wir setzen uns an die ersten paar Seiten des 125 Seiten starken Glossars von Bundeswehr-Jargon, das mir als Grundlage für meine Magisterarbeit dienen soll. Die Beschreibungen der einzelnen Begriffe werden, für Soldaten so simpel wie möglich, so übersetzt, dass der japanische Applikant nur noch das entsprechende Wort im Jieitai-Jargon einzusetzen braucht. Das geht stetig, aber nicht schnell voran, und um 16:30 muss Yui weg, weil ihr Job ruft.

Am deutlichsten markiert wird dieser Zeitpunkt durch die Koreanerin MinJi, die Probleme mit dem Drucker hat und deshalb auf der Kante des Tisches kniet, über dem auf einem Regal der Drucker steht. Ich sage nur zu ihr, dass sie darauf achten soll, nicht von der Tischkante zu rutschen, als Yui eröffnet, dass sie gehen müsse. Yui geht also und ich kann zumindest versuchen, dass Problem von MinJi zu lösen. Sie will eine Internetseite ausdrucken und der Drucker gibt eine Fehlermeldung her, die keiner von uns beiden so recht verstehen kann. Der Drucker hat Papier, alle Klappen sind geschlossen und ein Papierstau liegt auch nicht vor. Da finde ich kein Problem. Den Text auf der Seite kann man nicht markieren, weder durch Einrahmen noch per Druck auf die Tasten „Ctrl+a“, Rechtsklick geht auch nicht, also kann ich den Text nicht in ein WORD Dokument verpflanzen. Tut mir leid, mein Wissen ist erschöpft. Sie dankt mir dennoch für meine Mühen. (Man hätte allerdings einen oder mehrere Screenshots der Seite machen können, um diese dann als Bild auszudrucken, aber darauf komme ich erst einige Zeit später.)

Den Rest meiner Zeit verbringe ich damit, meine „Combat Mission“ Gefechtskarte „Maulwurf“ für mein nächstes Spiel gegen Misi vorzubereiten. Sie braucht einige Verbesserungen. Aber ich will nicht im Einzelnen darauf eingehen. Ist sicher langweilig. Ich gehe um kurz nach Sechs. Ich fühle mich müde und verzichte darauf, einen Bericht zu schreiben. Außerdem wollte ich eh um 19:30 zuhause sein, um „Atashin’chi“ zu sehen.

Danach lese ich wieder in meinem Buch und gehe später mit Melanie in die Videothek, weil sie eine ausgeliehene TV-Serie zurückbringen will. Ich entdecke dabei im Regal die US Serie „Band of Brothers“, das Projekt von Tom Hanks und Steven Spielberg nach „Saving Private Ryan“. Die Filme sind im O-Ton verfügbar, also fasse ich den Plan, mir die Serie mit Misi zusammen anzusehen, weil sie so wunderbar zu Combat Mission passt.

4. März 2024

Donnerstag, 04.03.2004 – Mehr Heizung!

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Es ist Donnerstag und es ist kalt. Immerhin kann man sich bereits am Morgen auf den Fernsehabend freuen.

Ich gehe erst ins Center, dort treffe ich (zufällig) Yui und vereinbare, mich morgen mit ihr zu treffen, wegen ein paar Übersetzungen. Ich wechsele dann ins Physikgebäude und treffe auf dem Weg dahin auch Masako wieder, die sich daran macht, ihr Büro auszuräumen. Die Ergebnisse der Abschlussarbeiten sind zwar noch nicht draußen, aber Zweifel an einem Erfolg hat sie natürlich nicht.

Physikgebäude, das heißt miese Stühle und eine auf Hochtouren laufende Lüftung, die einem ständig einen kühlen Luftzug ins Genick pustet, wenn man nicht gerade in der letzten Reihe sitzt. Also wieder eiskalte Finger und Füße (aber dem kann ich ja etwas abhelfen). Warum können die den Raum nicht einfach zwei Grad wärmer heizen? Im Winter ist der Raum hier ein echtes Erlebnis.

Ich schreibe heute 15 Einträge ins Animetric Forum und mache mich damit ganz eindeutig zum „Poster des Tages“. Leider gibt es dafür keine Geld- oder Sachpreise.

Um 18:00 gehe ich nach Hause und warte darauf, dass um 19:00 das Abendprogramm beginnt.

17. Februar 2024

Dienstag, 17.02.2004 – Ich bin enttarnt

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute Morgen also noch eine Stunde bei Yamazaki-sensei… und dieser Gedanke geht mir so langsam durch den Kopf, dass ich jede einzelne Silbe bewusst erfassen und mit Missbilligung strafen kann.

Und wieder einmal sind Melanie und ich die einzigen Anwesenden… zunächst!
Nach zehn Minuten kommt Valérie dazu. Und noch einmal 20 Minuten später trifft sogar Chin ein! Das ist der Chinese (Arzt, Mitte 30), der sich bisher um jeden einzelnen Kanji-Test herumgedrückt hat. Hui, vier Leute!
Am Schluss bekommen wir unsere Klausuren zurück und mein Pegel liegt bei 60 %. Ein Rekord in diesem Semester (in Bezug auf Japanischklausuren). Natürlich sind 60 % arm – aber wenige Minuten vor dem echten Ferienbeginn will ich darüber nicht weiter nachdenken.

Ich gehe in die Bibliothek und finde gleich drei lange Mails auf einmal vor – von Sebastian, Kai und Kati. Kati schreibt über ihre Ferien, die anderen haben wichtigere Belange. Dann muss Kati leider warten.
Ich schreibe selbst noch drei Mails und schon zeigt die Uhr nach Zwei. Ich gehe schnell ins Center und verpacke zwei Bücher, die ich per E-Bay verkauft habe und nach Deutschland schicken will. Dann kommt FanFan ins Center, sieht und begrüßt mich.

Was ich da täte, möchte sie wissen.
Ei, ich verpacke Bücher, die ich nach Deutschland schicken will.
Ob sie sie mal sehen dürfe?
Die Gedanken, die innerhalb einer halben Sekunde in meinem Kopf erwägt wurden, hier in Kürze: Wenn ich ihr verbiete, die Bücher zu sehen, ist das erstens hochgradig verdächtig und zweitens könnte sie beleidigt sein. Wenn ich ihr die Bücher zeige, werde ich ihr ebenfalls in Zukunft verdächtig sein… aber wenn ich offen bin, kann ich meinen Ruf eher wieder hinbiegen, weil sie weiß, woran sie ist.
Hm, in Ordnung… aber sie solle nicht erschrecken. Sie tut es trotzdem. Sie nimmt den ersten Band, den sie greifen kann, in die Hand, mit dem Titel „EVA Hot“ und sieht Hoshino Ruri (aus „Nadescio“) in eindeutiger Stellung. Wenige Sekunden später entschwindet sie ohne weiteren Kommentar. Ich packe also weiter ein.

Und als ob FanFan nicht gereicht hätte, kommen als nächstes BiRei und Mei mit fröhlichen Gesichtern auf mich zu. Aha, die nächsten. Das Spiel beginnt von vorn.
Was ich denn da täte, möchten sie wissen.
Ich denke erst gar nicht und drücke Mei „EVA Hot“ in die Hand.
Ein Moment Stille.
Aber immerhin laufen die beiden nicht gleich weg. Mei macht Witze über meinen Extraverdienst. Soll sie. Gefällt mir besser als Weglaufen.
Die beiden wollen kommenden Monat ins Frauenwohnheim umziehen und ich frage sie, wie es mit einer Umzugsparty wäre. Ja, BiRei zumindest hat nichts dagegen, Mei überhört die Frage und schweigt dazu. Sie blättert lieber in „EVA Hot“ mit dem Bild von Hoshino Ruri drauf. Jetzt mache ich die Witze („Was ist? Hast Du Gefallen daran gefunden?“), aber das prallt von ihr ab wie Wasser von einer gewachsten Karosserie. Ich denke an den Film „Feuerwalze“ mit Chuck Norris (Zitat):
„Was wird er schon tun? Er ist Chinese, und Chinesen lächeln…“
Mei tut genau das angesichts meiner Bemerkung.
Schließlich bringe ich die Bücher zur Post, und bis ich zuhause bin, ist es schon 14:30. Aber Melanie reagiert darauf gelassener, als ich erwartet hätte.

Unser heutiges Programm besteht aus der zweiten Hälfte der „GTO“ Serie, nur unterbrochen von einem Besuch im „Bunpuku“ Ramen-Laden. Zuletzt sehen wir uns noch eine Episode von „Chrno Crusade“ an. Ja, der Name ist richtig geschrieben. Da fehlt tatsächlich das erste „o“ in der Rômaji Schreibung. Nehmen wir also an, dass es sich um Absicht handelt. Die Serie ist auch ganz hervorragend gezeichnet, gute Arbeit, aber auf eine niedliche Variante von „Warrior Nun Areala“ (nicht totzukriegende Leser der „AnimaniA“ werden das wahrscheinlich kennen) kann ich gut verzichten. Da ist eine junge Nonne mit reichlich reizfreier Unterwäsche, die im New York des Jahres 1928 unter Dämonen aufräumt. Natürlich erfüllt sie alle Klischees, die man so braucht, um eine niedliche Heldin zu basteln. Ich nenne hier nur den klassischen Vorgang „Zu schnell zu viel essen, sich verschlucken, blau anlaufen, sich dreimal auf das Brustbein klopfen, mit Wasser nachspülen“. Ich hab das auch schon probiert (bevor ich blau angelaufen bin allerdings), aber es hat nichts gebracht, mir auf das Brustbein zu schlagen (außer dem üblichen dumpfen Trommelgeräusch). Der Brocken bewegt sich erst, wenn man ihn wegspült. Begleitet wird die Nonne von einem nicht minder niedlichen, (zum Guten übergetretenen?) dämonischen Gehilfen mit der körperlichen Erscheinung eines schätzungsweise 16-jährigen Jungen, dem die Vorgesetzten der Kampfnonne natürlich wenig Vertrauen entgegenbringen. Ich bin sicher, dass er noch eine zwiespältige Rolle spielen und am Schluss an der Vernichtung des Bösen großen Anteil haben wird. Der Inhalt offenbart sich dem Erfahrenen also eigentlich bereits nach der ersten Episode. Die restliche Handlung ist mir zu offensichtlich… mir reicht eine Episode.

Die Nonne heißt übrigens, ja, tatsächlich, „Rosette“. Natürlich ist mir bewusst, dass es sich dabei um ein architektonisches Merkmal gotischer Kirchen handelt (dieses grob runde Fenster an der Frontseite heißt im kunsthistorischen Fachjargon so) und dass ihr Name höchstwahrscheinlich deshalb ausgesucht wurde – von einem arglosen Japaner, der die populärste Bedeutung des Begriffs wahrscheinlich nicht kennt. Dennoch finde ich das Wort als Namen für eine Frau reichlich unpassend. „Uhura“ ist als Frauenname richtig harmlos dagegen.

13. Februar 2024

Freitag, 13.02.2004 – Sind wir bald fertig?

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute ist Freitag und wir müssen wieder früh raus, weil Ogasawara-sensei eine Nachholstunde angesetzt hat. Wir sollen die Klausuren vom Wochenanfang zurückbekommen. Und, hurra, ich komme auf 58 %. Kein Grund zum Feiern, aber immerhin ist das besser als das letzte Mal. Außerdem sind heute nur vier Leute anwesend: Die Lehrerin selbst, die Chinesin Chong, Melanie und ich. Wie es scheint, werden Sondertermine gerne von mindestens zwei Dritteln des Kurses „vergessen“. Und zur Entspannung spielen wir im Anschluss ein Spiel, für das wir per Zufall kleine Papierzettel zugewiesen bekommen, auf denen Begriffe stehen, die wir erklären sollen, während der Rest der Anwesenden raten soll, was wir da erklären. Ich erkläre „Zahnbürste“, „Zahnpasta“, „Tageszeitung“ und „Mikrowelle“.[1]

Nach dem Unterricht arbeite ich die notwendigste Post ab, bringe ein Buch zu derselben und gehe dann nach Hause. Wir sehen uns im Laufe des Tages noch mehr Episoden an, darunter weitere Teile von „Fumoffu!“. Die Rugby-Episode muss der absolute Höhepunkt sein, weil ich mir keine Steigerung mehr vorstellen kann. Ich leide Schmerzen und weine Tränen vor Lachen.

Des Weiteren sehen wir Teile von „Ayatsuri Sakon“, wo es um einen Puppenspieler und seine Marionette geht, die „zusammen“ Kriminalfälle lösen. Ob der Puppenspieler, Sakon, einfach nur eine glatt gespaltene Persönlichkeit oder ob die Puppe, Ukon, ein Eigenleben hat, ist mir nicht klar geworden.[2] Auf jeden Fall verfährt auch diese Serie nach dem Prinzip, den Zuschauer völlig im Dunkeln zu lassen, was die Aufklärung betrifft und den Protagonisten am Ende einen aufklärenden Monolog führen zu lassen, was ich persönlich bedauere. Man erhält als Zuschauer keine Gelegenheit, sich selbst fundierte Gedanken zu machen, es erleichtert lediglich die Arbeit der Drehbuchautoren (da sie am Ende behaupten können, was immer sie wollen). Aber ansonsten ist die Serie empfehlenswert, die Zeichenqualität ist hervorragend und die Stimmung ist sehr passend inszeniert, zum Teil sehr düster, um genau zu sein.
Zuletzt sehen wir ein paar Episoden der „Gravitation“ TV-Serie an. Der doch als homoerotisch zu bezeichnende Inhalt ist nicht ganz mein Ding, aber die Charaktere sind zum Teil sehr sympathisch und lustig. Ich würde damit keinen Platz in meinem kleinen Regal verschwenden wollen, aber anschauen hat sich auf jeden Fall gelohnt.


[1] Die ersten beiden Begriffe kann ich leicht umschreiben, weil ich mir Details aus dem Werbefernsehen gemerkt habe.

[2] „Ukon“ und „Sakon“ sind übrigens die Bezeichnungen der beiden Bäume, die rechts bzw. links vom Eingang des Kaiserpalastes in Kyoto stehen.

12. Februar 2024

Donnerstag, 12.02.2004 – Kauftour

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Die letzte Klausur des Semesters erwartet uns. Sie kommt mir besser zu bewältigen vor als die vorherige, aber… warum ist es bloß immer das letzte Drittel einer Arbeit, das meinen Karren in den Dreck schieben muss?

Danach findet heute kein Unterricht mehr statt. Aber noch ist das Semester nicht vorbei. Wir haben noch eine Stunde bei Ogasawara-sensei vor uns, morgen. Ich sehe nach meiner Post und in „mein“ Forum, aber viel steht nicht an, also bin ich zeitig wieder daheim. Entsprechend der Tatsache, dass jetzt vier Leute in unserem Apartment wohnen, muss öfters Wäsche gewaschen werden, das heißt: Heute, jetzt sofort, und morgen gleich wieder.

Am Nachmittag fahren wir mit dem üblichen Bus zum Ito Yôkadô, steigen dort in den 100-Yen-Bus um und fahren zum „Cub Center“, einem „GLOBUS“ ähnlichen Verbrauchermarkt, das sich fast genau gegenüber vom Book Off befindet. Es schneit wieder stark, und der Schnee ist nass. Die Bürgersteige neben der Hauptstraße sind nicht geräumt und wir müssen uns auf kleinen Trampelpfaden fortbewegen, die nicht nur glatt, sondern zum Teil auch noch sehr abenteuerlich mit Eistrümmern „verziert“ sind, die vom Räumdienst von der Straße entfernt wurden. Man kommt sich vor wie in den Bergen! Und das ist ausnahmsweise kein Lob an die Landschaft.

Was die anderen drei im Book Off kaufen, habe ich mir nicht gemerkt, ich jedenfalls nehme die CD „Fuwari“ von Hayashibara Megumi mit, und das für 750 Yen. Billiger werde ich sie kaum bekommen. Zwischendurch muss ich aber auch kurz in das nebenan befindliche Restaurant eilen, um eine Toilette aufzusuchen… Boco ist da fast so gut wie Pfirsich-Eistee von Solevita! Danach suche ich für Freunde nach dem Hörspiel zur Manga-Reihe „Skip Beat!“ und nach dem Album „ID“ von Aikawa Nanase. Leider sind die Titel nicht verfügbar. Es sind aber noch zwei oder drei Läden übrig, in denen ich nach gebrauchten CDs fragen kann. Wir verlassen den Laden erst bei Anbruch der Dunkelheit und kehren nach Hause zurück.

Wir fangen an, die Serien, die Ricci mitgebracht hat, anzusehen, und die erste Nummer ist „Full Metal Panic – Fumoffu!“. Ich lache mir einen Ast und bin bemüht, nicht vom Stuhl zu fallen. Hinterher tut mir der Kopf weh vor Lachen. „Full Metal Panic“ war schon eine hervorragende Serie mit Humoreinlagen, die meinen Geschmack ziemlich genau trafen, nicht zuletzt, weil ich Teile meiner Persönlichkeit in der männlichen Hauptfigur Sagara Sôsuke wiedererkenne. „Fumoffu!“ ist eine Art Zugabe. Es geht dabei nicht darum, irgendeine Handlung aus der ursprünglichen Serie weiterzuführen, oder etwa eine eigene, neue, auf die Beine zu stellen. Die paar Episoden sind locker zusammengemischt und der rote Faden fehlt ihnen. Es geht wohl nur darum, das Verhältnis von Sôsuke und Chidori weiter auszuschmücken und den übertriebenen, militärisch-rationalen Unsinn von Sôsuke noch stärker zu betonen. Man könnte die „Fumoffu!“ Episoden wahrscheinlich ganz unauffällig in die Hauptserie einfügen, ohne dass es einem Uneingeweihten auffallen würde.

Wir sehen uns dann abends „Ace o nerae“ an, was, wie ich vermutet habe, von unserem Besuch natürlich nicht mit allzu viel Ernst betrachtet wird. Das wäre auch fehl am Platze, auch wenn die Serie möglicherweise durchaus ernst gemeint ist. Aber der Schmalz darin reizt doch immer wieder zu zwanglosen Kommentaren. Von „Doll House“ können wir nur noch die letzte halbe Stunde sehen, weil sich die Sendezeit aufgrund des Fußballspiels Japan-Malaysia verschoben hat.

10. Februar 2024

Dienstag, 10.02.2004 – Die Leere

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute wieder frühlingshafte Temperaturen nach der kältesten Nacht des bisherigen Winters, wie ich in einem Gesprächsfetzen auf dem Gang in der Uni mitbekomme. Ich habe mir schon so was gedacht, als ich in die Küche gekommen bin, um zum Bad zu gelangen. Frostig.

Die Klausur im Buddhismus-Seminar steht an, und auf dem Aufgabenblatt ist zu lesen:
„Erläutern Sie den Begriff der Leere im Buddhismus und beantworten Sie eine der übrigen vier Fragen.“
Na, das ist bei meinem derzeitigen Wissenstand nicht schwer. Ich nehme auch spontan die Frage nach der Entwicklung und Verbreitung des Buddhismus.[1] Von den ursprünglichen neun Teilnehmern sind noch vier übrig: Irena, Mélanie, David und meine Wenigkeit. Manche scheuten sich vor der Klausur, die sie in englischer Sprache würden schreiben müssen, und andere hatten mir unbekannte Gründe. Die beiden Japaner allerdings hätten für das Seminar sowieso keine Leistungspunkte bekommen können, also warum sollten sie sich mit einer nutzlosen Klausur belasten, wenn sie genug andere Dinge zu tun haben?
Nach der Klausur dürfen wir noch ein Bewertungsformular ausfüllen, darüber, was wir von dem Kurs gehalten haben, aufgeteilt in verschiedenartige Fragen, zu bewerten auf einer Skala von 1 bis 5. Allerdings weiß ich auch, dass alle anderen Kurse ihre Fragebogen bereits letzte oder vorletzte Woche ausgeteilt haben. Das Semesterende ist so nah, dass ich annehmen muss, dass die Fragebögen bereits jenseits der Abgabefrist sind.

Ich gehe in die Bibliothek. Und beschränke meine Computerarbeit auf 60 Minuten, weil Melanie mich gebeten hat, wegen der anstehenden Putzarbeiten frühzeitig zuhause zu sein. Ricci und Ronald werden heute Abend um 22:00 in Tokyo losrollen und morgen früh um 07:00 in Hirosaki eintreffen. Mir scheint, ich habe das etwas durcheinander gebracht. Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass ich einen Abreisetermin mit einer Ankunftszeit verwechsele. Ich sehe also nur meine Post an und stelle außerdem mit großer Befriedigung fest, dass „Combat Mission“ auf den Rechnern der Universität Hirosaki einwandfrei läuft. In Trier funktioniert das Spiel nicht, weil die nötige 3D-Grafikkarte fehlt. Die scheint in Hirosaki gegeben zu sein.
Ei, dann kann das Blei ja fliegen! Das Center hat durchgehend geöffnet, es sollte also möglich sein, hin und wieder einen Zug zu spielen und per E-Mail weiterzuleiten. Wenn jetzt natürlich das Rechenzentrum geöffnet hätte, dann wäre das natürlich die Ideallösung. Dann kann man nämlich ein ganzes Spiel in einem Stück fertig spielen, anstatt über Tage hinweg. Das Rechenzentrum ist nämlich relativ groß und normalerweise nur schwach gefüllt, während die Bibliothek und das Center viel Publikumsverkehr haben, und ich habe, anders als bestimmte Thailänder und Chinesen, nicht den Nerv, die Rechner stundenlang für Dinge zu missbrauchen, die definitiv nicht mit dem (zugegeben idealisierten) Grundsatz von „Forschung und Lehre“ zu vereinbaren sind, während andere Leute darauf warten, ihre Post zu checken. Die Thais spielen „Ragnarök Online“, die Chinesen spielen sogar „Halflife“, „Unreal Tournament“ oder „Counterstrike“. Anders als in Center oder Bibliothek, wo ständig jemand auf einen freien Rechnerplatz wartet, ist im Rechenzentrum immer genügend Platz, so dass ich niemanden daran hindere, E-Mails zu lesen oder Arbeiten zu schreiben.

Am frühen Abend bewaffne ich mich aber vorerst mit Putzhandschuhen, Schwamm, Scheuermilch und Handtuch und putze das Bad. Das Handtuch wird gebraucht, um die Oberflächen gleich trocken zu reiben, damit nicht gleich wieder alles anschimmelt. Ein Fenster im Badezimmer hätte Vorteile. Danach gehe ich einen neuen Sack Reis kaufen, stelle ihn abrufbereit in den Schrank und setze mich vor den Fernseher. Ich will mir die aufgenommene Episode von „Doll House“ noch ansehen und „Kochira wa Hon’ikegami-sho“.


[1] Der Buddhismus hat sich, wie andere Religionen auch, in und durch Perioden politischer Instabilität verbreitet.

9. Februar 2024

Montag, 09.02.2004 – Schlafzimmereinrichtung

Filed under: Japan,My Life,Spiele,Uni — 42317 @ 7:00

Starker Schneefall am Morgen um halb Zehn. Die Aussage meines Ölverkäufers, dass der Februar der schneereichste Monat sei, scheint sich zu bestätigen. Es ist natürlich lustig, dass es genau dann anfängt zu schneien, wenn wir Besuch kriegen sollen.

Nachdem Melanie in den letzten Tagen wiederholt angemerkt hat, dass meine derzeitige Art des Frühstücks – untertrieben ausgedrückt – „ungewöhnlich“ sei, esse ich meinen Reis heute wieder mit Mayonnaise und Nori. Ach ja, den Geruch (!) von warmer Mayonnaise mag sie ja auch nicht… Was ist also „meine derzeitige Art des Frühstücks“? Ich mische eine Soße an, die zu einem Drittel aus Sojasoße und zu zwei Dritteln aus Rotwein besteht (gerade so viel, dass der Boden der kleinen Pfanne bedeckt ist), rühre einen Kaffeelöffel Tonkatsu-Soße, einen Esslöffel Ketchup und Mayonnaise und eine Prise Pfeffer hinein, vielleicht noch einen Spritzer Essig, und köchele dann Rindfleischstreifen (ca. 2 mm dick) darin, bis sie gerade gar sind. Wenn man sie zu lange kocht, werden sie zu zäh, um noch den Reis damit umfassen zu können. Das schmeckt (mir) ganz hervorragend, und ein Kilo von diesem Fleisch kostet umgerechnet auch nur 5 E. Daraus mache ich fünf oder sechs Portionen.

Heute steht die Klausur für den A3-Kurs an. Wie neulich ist auch hier das letzte Drittel besonders knackig, eben wegen der Abfrage von Texten, die im Lehrbuch stehen. Aber diesmal habe ich mich immerhin soweit vorbereitet, dass ich mir die möglichen Texte mehr als nur angesehen habe. Das sollte ein paar Punkte retten. Aber wie üblich komme ich mir nach der Arbeit so blöde vor, als hätte ich nie auch nur eine Stunde Japanischunterricht genossen.

Danach verbringe ich den Tag weitgehend mit meiner Post und im Animetric Forum, bevor ich nach Hause gehe.

Ich finde Post auf dem Schuhschrank, die Melanie freundlicherweise hochgebracht hat. Es ist die „Combat Mission“ CD, die Karl vor ein paar Tagen in Deutschland weggeschickt hat. Das war schnell. Besten Dank. Mein eifriger Freund hat darüber hinaus nicht nur „Combat Mission“ auf die CD gebrannt, sondern auch noch „Panzer General“ und „Snow Craft“. Und seinen „Humor“ Ordner. Hm, vielen Dank. Misi ist immer auf der Suche nach interessanten Spielen, aber mit den Dateien im „Humor“ Ordner wird er möglicherweise wenig anfangen können, da er nur rudimentäres Deutsch spricht. Aber voreiliges Handeln ist besser als Versäumnis. (Ich wünschte, ich könnte so konsequent nach diesem Vorsatz leben, wie er mir immer von den Lippen fließt.)

Um 22:00 bin ich mit SangSu verabredet, weil ich etwas von dem Bettzeug leihen möchte, das Angela ihm überlassen hat. Ich ziehe also meine Schuhe an, als er schon an die Tür klopft. Er hat eine Decke in der Hand. Oh ja, das ist gut. Aber wir brauchen auch einen Futon. Nein, so was habe er nicht. Aber er könne uns noch eine weitere solche dicke Decke geben und ein Kopfkissen dazu. Ich gehe mit ihm hinunter und hole das Zeug.

Und wenn ich schon da bin, kann ich auch gleich mit Hilfe seines Laptops ausprobieren, ob die von Karl gebrannte CD auch den Transport überlebt hat – schließlich könnten kleine Kratzer die Lauffähigkeit verhindern. Außerdem bin ich, zugegeben, begierig, dieses Spiel der Spiele mal wieder zu sehen. Und es läuft. SangSu will sich auch gleich „Snow Craft“ kopieren. Er sagt, das kenne man auch in Korea und er habe es immer gerne gespielt. Ja, sicher, soll er. Vielleicht wird er ein weiteres Mitglied der „Combat Mission“ Spielgemeinde. Aber… wenn ich ihn so ansehe, mache ich mir da wenig Hoffnung, auch wenn er sagt, dass er das Spiel ausprobieren möchte. Ich lasse es also auf seiner Festplatte. Die CD dazu braucht man ja nicht.

6. Februar 2024

Freitag, 06.02.2004 – Zieh mit, Feuer, zieh mit mir…

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute Morgen gehe ich noch einmal im Schnellverfahren Grammatik und Kanji durch, aber bei letzteren gibt es nicht mehr viel rauszuhauen, weil ich mich zu sehr auf die Grammatik gestürzt habe in den letzten Tagen. Zu allem Überdruss komme ich auch noch spät weg und schaffe es gerade noch, vor dem Unterricht da zu sein und einem dringenden Bedürfnis nachzukommen.

Zwei Drittel der Klausur sind an sich nicht schwer, aber das letzte Drittel hat es in sich. Da werden unter anderem die Dialogtexte aus dem Lehrbuch abgefragt, und ich hatte kein wie auch immer geartetes Interesse daran, diese auswendig zu lernen. Die exakten, einzusetzenden Vokabeln sind mir daher auch fast unbekannt.[1] Und natürlich ein Kanjitest. Wenn ich davon die Hälfte richtig habe, schätze ich mich bereits recht glücklich. Bei zwei Zeichen weiß ich weder Lesung noch Schreibung, aber immerhin die Bedeutung. Ich schreibe die Bedeutung in das freie Feld und hoffe, dafür vielleicht noch einen halben Punkt rausholen zu können. Wie üblich gehöre ich zu den letzten vier, die ihre Arbeit abgeben. Ich hoffe auf 60 %. Mehr als 50 % werden es wohl immerhin werden.

Ich kümmere mich dann um meine E-Mails und finde eine von meiner Mutter vor. Offenbar war mein letzter Brief an sie etwas… scharf formuliert. Ihr aktuelles Schreiben erfüllt den Zweck einer beruhigenden Geste. Ich sehe ein, dass ich meine Wortwahl wohl etwas unklug getroffen habe. Ich habe wohl irgendwann in meinem Tagebuch geschrieben, dass es kalt sei, was meine Mutter dazu veranlasst hat, mir ein „Notpaket“ zu besorgen, mit Handschuhen und anderen (von ihr nicht näher genannten) Sachen drin (die sie wegen der extremen Postgebühren aber nicht versandte). Ich schrieb zurück, dass ich schon alleine klarkäme. Natürlich bin ich dankbar, dass sie sich Sorgen macht, aber derartige Dinge treffen einen empfindlichen Punkt: Ich komme mir nicht gerne bemuttert vor. Es gibt mir das Gefühl von Abhängigkeit. Leider ist meine Abneigung gegen dieses Gefühl in meine Antwort eingeflossen. Ich muss diplomatischer sein. Und weniger emotional reagieren. Es tut mir leid.

Ich hatte in diesen Tagen auch schriftlichen Kontakt zu meinem Bruder. Ich finde es sehr beruhigend, dass ihm seine Arbeit offenbar zusagt… auch wenn er überhaupt nicht aussieht, wie man sich einen Metzger vorstellt. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute für den weiteren Weg, den er gewählt hat. Auch wenn er mich für diesen Abschnitt für völlig bekloppt halten und möglicherweise der Meinung sein wird, dass ich mich zu sehr für seine Privatangelegenheiten interessiere. Aber trotz aller Meinungsverschiedenheiten: Bruder bleibt Bruder. Und ich habe mehr als 20 Jahre gebraucht, um das zu verstehen. Es ist unnötig, darüber zu witzeln, dass das daran liege, dass ich alt und weise geworden sei. Ich bin nämlich eigentlich weder das eine noch das andere. Zumindest noch nicht. Allen jungen Leuten, die sich zuhause mit ihren Geschwistern in den Haaren liegen, sei gesagt, dass man viel besser miteinander auskommen wird, wenn man sich nicht mehr jeden Tag auf der Pelle sitzt.

Da heute Freitag ist, schließt das Center bereits um 17:00, also weiche ich in die Bibliothek aus, aber dort ist das nahende Semesterende immer noch deutlich zu spüren. Die Jungs und Mädchen schreiben sich immer noch die Finger an ihren Arbeiten wund und man muss immer noch eine Zeitlang warten, bis man endlich einen Platz bekommt. Natürlich könnte ich auch in den großen CIP-Pool ausweichen, aber das Procedere stört mich da ein wenig: Straßenschuhe aus- und (für mich) viel zu kleine Latschen anziehen, Studentenausweis abgeben, sich in die Liste eintragen.[2] Zumindest ist das ab fünf Uhr nachmittags so. Ich habe aber Glück; Jû wird gerade fertig mit was auch immer er hier gemacht hat und überlässt mir seinen Platz. Er werde seinen Geburtstag leider nicht feiern, sagt er.

Karl schreibt mir, dass er meine Bestellung (ich habe ihn um eine Kopie von „Combat Mission“ gebeten, damit ich mit Misi spielen kann)[3] auf den Weg geschickt hat und dass ich ihm vier Euro Porto schulde. Ich überweise sie auf sein Konto und harre der Dinge, die da kommen.

Als ich nach Hause komme, darf ich auch gleich wieder losstiefeln, weil Melanie das Tomatenmark für die Hackfleischsoße vergessen hat. Die Soße wird auch gut, wenn auch sehr „knoblauchlastig“ und mit einem seltsamen Gewürz geschärft, das aussieht wie Chilipulver und in stärkerer Konzentration nach Pfeffer schmeckt. Was habe ich da gerade gegessen? Aber es rafft mich keine Vergiftung dahin und damit bin ich zufrieden.

Wir sehen uns die Aufnahme der aktuellen Episode von „Ace wo nerae!“ an und ich komme zu dem Schluss, dass es ein interessantes Spiel wäre, sich vor den Fernseher zu setzen und jedes Mal einen Schnaps zu trinken, wenn Hiromi „Ojôfuji…“ sagt, in diesem schmelzend zarten Ton, den sie dabei so gekonnt draufhat. Zur Erklärung: „Ojôfuji“ ist die Bezeichnung, die sie gegenüber ihrem Vorbild (?) Tatsuzaki Reika verwendet, und das bedeutet etwa „hohe Tochter“ oder „junge Dame“, soweit ich das interpretieren kann. Alternativ dazu könnte man zwei Trink-Teams bilden. Die einen trinken bei „Ojôfuji“ und die anderen heben immer dann einen, wenn Hiromi sich mit Hingabe auf dem Tennisplatz räkelt, weil sie – mal wieder – angesichts der Härte des Trainings zu Boden gesunken ist. Und jedes Mal, wenn sie auch noch den Staub vom Boden im Gesicht hängen hat, einen Doppelten. Das könnte ein lustiger Abend werden.
Die Darstellung der Beziehungen der einzelnen Charaktere zueinander erweckt den Eindruck, dass eine Beziehung zwischen Hiromi und Reika weitaus wahrscheinlicher ist, als das Zusammenkommen von Hiromi mit… diesem jungen Kerl mit der „Drei-Wetter-Taft-Frisur“… „Tôdô“ heißt der. Seinen Vornamen kann ich mir nicht merken. Jedenfalls sehe ich hier das auffälligste Yuri-Team, das mir je unter die Augen gekommen ist. Das Vokabular verstehen natürlich nur Insider, und es reicht mir auch voll und ganz aus, wenn nur die es verstehen.

Zuletzt bleibt für den Abend noch „Skyhigh 2“, was sich als lohnende Serie herausgestellt hat. Die Hauptdarstellerin (Shaku Yumiko) würde eine ganz hervorragende SailorPluto abgeben – sollte „SailorMoon“ je so weit kommen. Ich würde das begrüßen. Vermutlich habe ich das bereits erwähnt. Die Uhr zeigt nach Mitternacht. Ich bin müde und ich spüre keine Motivation mehr, mir auch noch die Aufnahme von „Doll House“ anzusehen. Das kann warten. Es handelt sich eh um eine der Serien, über die man lachen kann, weil sie eigentlich ganz furchtbar schlecht sind.


[1] Das japanische System baut stark auf das Auswendiglernen von Daten, eine solche Art von Klausur ist also nur folgerichtig.

[2] … und schlecht geheizt, möchte ich hinzufügen.

[3] Ich besitze eine lizenzierte Kopie von dem Spiel, aber das Original wollte ich mir nicht über den halben Globus hinweg schicken lassen.

5. Februar 2024

Donnerstag, 05.02.2004 – Der Anfang vom Ende

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Über Nacht hat es 10 cm Neuschnee gegeben und der Himmel am Morgen ist strahlend blau. Die Aussicht aus der Balkontür ist sehr schön, aber ich muss davon ausgehen, dass es knochig kalt ist. Der erste Schritt vor die Haustür bestätigt diesen Verdacht. Und natürlich ist es glatt. Also vorsichtig gehen.

Yamazaki-sensei arbeitet heute mit uns Übungsblätter durch, nachdem wir gestern mit dem Lehrbuch fertig geworden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass er vielleicht die wichtigsten Inhalte noch einmal wiederholt, angesichts der Klausur kommende Woche. Mit Anteilen aus der ersten Semesterhälfte, aber mit Schwerpunkt auf der zweiten, sagt er. Das kann ja heiter werden.

Die Endphase des Semesters beginnt dann heute mit der ersten Abschlussarbeit, der Kultur-Klausur. Ich empfinde sie als nicht wirklich schwer, aber Essay-Aufgaben waren noch nie mein Ding, weil ich nie sicher bin, ob ich den Punkt auch treffe. Hinzu kommt, dass ich eigentlich zu gut gelaunt bin. Das ist mir verdächtig, weil ich mir den Zustand nicht erklären kann. Vielleicht ein Ausdruck von Nervosität. Einige meiner Formulierungen lassen sogar ein gewisses Maß an Ironie erkennen. Aber schließlich geht es unter anderem um die Verbreitung des Christentums in Japan – wie könnte ich da ernst bleiben? Ich schreibe abschließend einen Vermerk darunter, in dem ich Sawada-sensei bitte, doch auch meinen Stil zu kommentieren. Es sind noch zwei Minuten bis zum Schlussgong. Ich nutze damit die Zeit und den Raum (eine Doppelstunde und zwei Seiten Papier im Format A3) optimal aus, ohne Eile, aber auch ohne zu wissen, ob das nun gut oder schlecht war.

Nach der Arbeit mache ich einen elektronischen Abstecher ins Forum von Animetric.com. Bis heute habe ich 16 Episoden der irren Serie „Oruchûban Ebichû“ gesammelt, und hier finde ich den Hinweis, dass es insgesamt 27 davon gibt. Oder „geben soll“. Na hurra. Ich habe keine Idee, wo ich den Rest auch noch herbekommen könnte. Elf der Episoden sind also offenbar nie von den FanSub Teams bearbeitet worden… eigentlich schade. Immerhin handele es sich dabei, so ist da zu lesen, um eine Reihe von einzelnen Episoden, die untereinander nur einen lockeren Zusammenhang haben und nicht wirklich auf eine Art Ende hinzuarbeiten scheinen. Also werde ich vorerst damit leben können.

Ich verständige mich anschließend schriftlich mit Ricci, um ihr, wie auch Melanie, mitzuteilen, was sie alles für die Dauer ihres Besuchs bitte mitbringen soll. In erster Linie geht es dabei um TV-Serien, aber ich möchte auch Zugriff auf die Unzahl ihrer Musiktitel (4000?) erhalten, die sich auf ihrer Festplatte befinden.

Am späten Nachmittag sehe ich eher zufällig meine verehrte Tutorin wieder, die sich dafür entschuldigt, den letzten Termin vergessen zu haben. Aber so ernst nehme ich diesen Zwischenfall nun wirklich nicht, da ich inzwischen alleine ausgetüftelt habe, wie das mit dem Bankautomaten funktioniert. Ich hoffe nur, mir das alles bis zum nächsten Mal merken zu können.

Die morgige Klausur verhindert leider, dass ich den TV-Abend voll nutzen kann. Bis auf „Mujin Wakusei Survive!“ („Überleben auf einem unbewohnten Planeten!“) muss alles aufgenommen werden. Und ich finde es übertrieben, die Serie so zu nennen, weil sich die Handlung lediglich auf einer kleiner Insel abspielt, die offenbar mitten in einem riesigen Ozean liegt. Und die Insel ist so klein, dass die gestrandeten Kinder sie zu Fuß binnen eines Tages von Süden nach Norden durchqueren können, inklusive Klettertour.

4. Februar 2024

Mittwoch, 04.02.2004 – Datensammlung

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute findet Unterricht wie an Dienstagen statt. Das heißt Yamazaki-sensei „versüßt“ uns die ersten beiden Stunden, danach habe ich etwas Pause und dann findet das Seminar über Buddhismus statt.
Philips ist heute ebenso wenig informativ wie gestern, weil er das Buch noch immer nicht gefunden hat. Er redet also über verschiedene andere Dinge, die mehr oder weniger mit Buddhismus zusammenhängen. Aus- und Abschweifen ist eine seiner besonderen Fähigkeiten. Aber da ich das von meinem Vater her schon kenne (dessen Gespräche dieser Art ich eigentlich immer genossen habe), stört mich das nur aus rein akademischer Sicht (und ich betrachte mich nicht als akademisch begabt), ansonsten höre ich mir gerne an, was er zu erzählen hat.

Auch diesmal bleibe ich der einzige, der Fragen stellt. Zum Beispiel möchte ich, im Hinblick auf die kommende Klausur, wissen, wo denn nun der Unterschied zwischen Mahayana und Teravada, den beiden Hauptströmungen des Buddhismus, eigentlich liege. Die erschöpfende Antwort: Mahayana beruht auf Glauben und Teravada auf Praxis. Im Klartext heißt das, dass Mahayana Anhänger zu den Boddhisatvas (den zur Erleuchtung gelangten „Normalsterblichen“) beten und hoffen, dadurch in der Lebenszeit des nächsten Buddha geboren zu werden, um von diesem zur Erleuchtung geleitet zu werden, denn nur der Buddha und seine direkten Schüler sind zu dieser Anleitung fähig (nach Ansicht des Mahayana). Die Anhänger des Teravada dagegen glauben, dass man durch geistige Übungen – wie Meditation – das Ziel, selbst ein Boddhisatva zu werden, ohne Anleitung eines Buddha oder eines Arhat (Buddha-Schülers) erreichen kann.
Man kann sich ja aussuchen, was einfacher erscheint. Und dafür haben die Oberdruiden vor 1200 Jahren ein (inoffizielles) Schisma geschaffen. Inoffiziell deshalb, weil die dogmatische Spaltung der reinen Lehre eine Todsünde darstellt, für die man unweigerlich sofort und für alle Zeiten in die nächste Hölle verbannt wird. Das ist an sich alles. Allerdings mögen den Buddhisten die Gründe für die Spaltung der christlichen Kirche ebenso unbedeutend vorkommen. Philips jedenfalls grinst mich an und meint: „Haben Sie vielen Dank, dass Sie so viele Fragen stellen. Sie haben mir eben ein paar gute Ideen für Klausurfragen gegeben. Ich hoffe, ihre Mitstudierenden sind nicht nachtragend.“

Nach dem Unterricht stelle ich im Center ein paar Dinge über den Datentransfer von einem Rechner zum anderen fest. Es gibt in der Tat ein Netzwerk (innerhalb des Centers) und somit einige Rechner, auf deren Laufwerke man von den anderen Rechnern im Raum zugreifen kann. Theoretisch. Es funktioniert nämlich in den seltensten Fällen, und das häufigste Erlebnis bei dem Versuch, einen Rechner im Netzwerk anzusteuern, ist ein Systemabsturz nach dem anderen. Und ausgerechnet der Rechner, auf dem ich die meisten Daten gelagert habe, ist überhaupt nicht per Intranet zu erreichen. Ich habe mich extra vergewissert, dass das Laufwerk, von dem ich Daten abrufen will, auch anwählbar und zugriffsbereit ist, aber ich kann den Rechner mit seinem Laufwerk von einem anderen Rechner aus im Netzwerk dennoch nicht finden.

Ich kann aber endlich auf Misis Angebot zurückkommen, seinen Memorystick zu verwenden. Ich hinterlege seine Daten in einem entsprechenden Ordner, lösche dann die Speichereinheit und transferiere langsam und allmählich meine Daten auf einen Computer, der auch einen Brenner besitzt. Der Datentransfer dauert eine Weile, also suche ich ein wenig auf den Festplatten herum, ob da nicht etwas Interessantes für mich zu finden sein könnte. Ich finde eine Handvoll MP3 Musikdateien, aber auch eine Tonaufnahme von einer 50-minütigen Vorlesung über die Relativitätstheorie, vorgetragen von einem Professor Feynman in amerikanischem Englisch. Ich habe den Namen noch nie gehört, aber für Eingeweihte ist er eine wahre Koryphäe, der in einer Reihe neben Einstein steht. Ich kopiere diese Datei, man weiß ja nie, ob man sie nicht vielleicht mal brauchen kann. Und sei es zur Erweiterung des Allgemeinwissens, das mir weit mehr bedeutet als alles Fachwissen.

Ich werde nebenbei auf eine Seite aufmerksam gemacht, von der man Musik anhören und auch runterladen kann – aber nur, wenn man eingetragener Nutzer und darüber hinaus auch noch koreanischer Staatsbürger ist. Ich finde die Idee zur Eindämmung wilder Downloads gar nicht so dumm. Aber ich kenne ja Koreaner. Vielleicht findet sich was auf der Seite… aber ich weiß derzeit nur von zwei oder drei Liedern, die mich interessieren, und vielleicht erübrigt sich das auch, nachdem Riccis Festplatte bei uns aufgeschlagen ist, höhöhö.

Der Tag zieht sich hin und ich „genieße“ das Wetter.
Es schneit.
Es ist bitterkalt.
Unter dem frischen Schnee lauert immer noch der spiegelglatte Eispanzer auf unachtsame Fußgänger.

Am Abend ist wieder Lernen angesagt, in erster Linie für das Kulturseminar, aber auch die Grammatik will behandelt sein. Das dauert lange, aber mittwochs macht das nicht viel aus, weil eh nichts im Fernsehen läuft, was sich anzusehen lohnt. Wir probieren auch an meinem Wordtank herum und Melanie findet heraus, wie man englische Begriffe und japanische Komposita markieren kann, um diese erklären oder übersetzen zu lassen. Das ist vor allem praktisch für die Teile des Lexikons, die rein japanisch gehalten sind. Es ist ja schon wirklich toll genug, dass ich Erklärungen übersetzen muss, um zur Übersetzung zu gelangen.

Übrigens hat Jû heute Geburtstag, womit er exakt fünf Monate und zehn Tage älter ist als ich. Was mich daran erinnert, dass ich noch ein paar weitere solcher Daten sammeln wollte, um meine Geburtstagsliste zu erweitern. Ich glaube, ich habe eigentlich schon zu lange gewartet. Ein bedeutender Teil meiner neuen Bekannten dürfte bereits Geburtstag gehabt haben.

3. Februar 2024

Dienstag, 03.02.2004 – Lernbestrebungen

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute ist „Setsubun“, der „Tag vor Frühlingsanfang“. Und gerade heute merkt man davon überhaupt nichts. Das, was gestern Abend von Himmel geregnet ist, ist über Nacht gefroren. Was gestern Abend noch aufgeweichter Schnee war, ist heute Morgen ein dicker Eispanzer auf dem Bürgersteig; aber auch der Wasserfilm auf der Strasse ist vereist. Wenn der Bus, neben dem ich herlaufe, auf der Straße bremst, rutscht er erst einmal einen Meter weit – bei Schrittgeschwindigkeit. Vor allem der Parkplatz der Universität ist schwer vereist. Er sieht mehr wie ein zugefrorener See aus.

Yamazakis Unterricht kann ich heute nur schwer folgen, denn a) Ich habe zu wenig geschlafen, und b) der Mann ist heute tödlich langweilig. Natürlich könnte dieser Eindruck auch von meiner Müdigkeit herrühren. ich komme aber durch, ohne vom Stuhl zu fallen.

Danach will auch der Unterricht über Buddhismus nicht so recht in die Gänge kommen. Philips hat ein Buch nicht gefunden, das er eigentlich schon seit zwei Wochen besprechen will und hat deshalb ein Notprogramm zusammengebastelt. Darüber hinaus wirkt er müde, um nicht zu sagen völlig kraftlos. Auffällig ist immerhin, dass seine Brille inzwischen repariert oder ersetzt worden ist. Es hängt also wieder auf jedem Ohr ein Bügel.

Im Anschluss sehe ich noch ein paar Sachen durch und begeistere SangSu für „Bôbobo“. Das heißt, in erster Linie begeistert ihn Animesuki.com und er möchte wissen, wie das funktioniert. Ich erkläre es ihm, aber ich bin nicht ganz sicher, ob er meine Ausführungen zum Thema „Installation des Bittorrent Client“ verstanden hat. Na, er wird schon durchsteigen. Doof ist er ja nicht.

Dann sehe ich mir meine Grammatik an. So lange, bis Marc vorbeikommt und mich eine Stunde lang in ein Gespräch verwickelt, heißt das. Als ich dann wieder mein Buch in der Hand habe, kommt Misi und will wissen, was mein Kanjitank so alles kann. Ich komme also erst zuhause dazu, effektiv was zu lernen. Das englischsprachige Lehrbuch mit seinen Erläuterungen und Beispielsätzen ist dabei eine echte Hilfe, vor allem, wenn es um die Erfassung kleiner Nuancen geht.

2. Februar 2024

Montag, 02.02.2004 – Die Februar-Prognose

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Hirosaki-Wetter at its best! Das Wetter macht, was es am besten kann: Regen. Den ganzen Tag.

Etwa genauso trüb wie das Wetter sind meine Gedanken, wenn ich an die kommenden Klausuren denke. Und mitten in der Klausurenwoche, am 10. Februar, kommen Ricci und Ronald aus Tokyo zu uns. Ich halte das nicht für das beste Timing, aber es scheint nicht anders zu gehen. Und sie bleiben dann für zwei Wochen. Ich frage mich: Was machen wir zwei Wochen lang? Wir können doch nicht zwei Wochen lang fernsehen!? Gut, ich kann das. Aber nur wenige andere können das. Ob der prophezeite Schnee noch kommt, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich mache ich mir (ausnahmsweise?) zu viele Gedanken. Lassen wir es einfach auf uns zu rollen.

Um 16:00 findet eine Nachholstunde bei Ogasawara-sensei statt. Bis dahin versuche ich, notwendige Vokabeln und Formen zu lernen, aber meine Konzentration ist heute nicht die beste und die Lernplätze in der Bibliothek finde ich unbequem. Ogasawara-sensei gibt uns die Hausaufgaben zurück, die wir für gestern hatten machen sollen. Ein Arztgespräch sollte es sein – aber das ist mir doch viel zu langweilig! Ein Dialog nach Art von „Was fehlt Ihnen?“, „Machen sie mal den Mund auf, bitte.“ oder „Beachten Sie bitte dieses und jenes: …“ war noch nie mein Ding. Ich habe einen kurzen Einakter geschrieben. Die Lehrerin bemängelt ein paar Ausdrucksfehler und Vokabeln, schreibt aber „Bene!“ darunter. Italienisch? Gut, ich weiß ja, warum sie sich in diesem Fall dieser Sprache bedient. Ich bewahre den Zettel auf und werde ihn mit nach Trier nehmen. Shinnenkai oder Tanabata werden Verwendung dafür finden.

Nach dem Unterricht gehe ich wegen meiner Post in die Bibliothek zurück, aber ich finde erst um 19:00 einen freien Rechnerplatz. Man spürt, dass die ganze Universität an irgendwelchen Hausarbeiten schreibt.

Dem entsprechend spät komme ich nach Hause, nass geregnet. Melanie hat „Montana“ und „Kochira wa Hon’ikegami-sho“[1] aufgezeichnet, also verpasse ich nichts.


[1] Es handelt sich dabei um eine neue der vielen komödischen Polizeiserien um die Abenteuer einer Revierbelegschaft.

28. Januar 2024

Mittwoch, 28.01.2004 – Frau Bärenfeld

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Es schneit wieder. Nicht in rauen Mengen wie gestern, aber auffällig.

Im Unterricht von Ogasawara-sensei behandeln wir zum wiederholten Male Vokabular, wie man es beim Arzt brauchen kann. Die anwesenden Chinesen begründen die „ruppige“ Art und Weise chinesischer Ärzte und Schwestern übrigens mit den niedrigen Gehältern, die man diesen Leuten in China zahle. Natürlich drücke das aufs Gemüt der betreffenden Personen.

Danach folgt die wohl letzte Stunde zum Thema „Moderne japanische Novellen in englischer Übersetzung“. Thema ist Murakami Haruki, „The Second Bakery Attack“. Ich kenne den deutschen Titel nicht, aber die Geschichte soll sich in der Sammlung „Der Elefant verschwindet“ befinden. Wenn man sich leichte literarische Kost zu Gemüt führen möchte (bei Murakami eher ungewöhnlich), dann, glaube ich, ist das hier genau richtig.

Bis 14:20 habe ich dann noch etwas Zeit, aber ich folge einer Laune und gehe bereits in der Mittagspause in die Halle, um zu sehen, ob Mei, BiRei oder XiangHua vielleicht dort anzutreffen sind. Ich gehe ausnahmsweise eine andere Route dorthin, durch den zweiten Stock, anstatt durch den ersten. Ich komme an einem Hörsaal vorbei, aus dem ich eine mir bekannte „TV-Stimme“ hören kann. Deutsche Sprache, bekannter Stil… ich muss nicht viel vom Inhalt hören, um nach fünf Sekunden zu wissen, dass hier das „Fest der Völker“ von Leni Riefenstahl gezeigt wird. Ich bin neugierig und stehle mich in den Saal. Deutsche Originalfassung mit japanischen Untertiteln. Hier sitzen ein halbes Dutzend japanischer Studenten und eine Dozentin mit Namen Kumano. Es handelt sich um einen Kurs der Medienwissenschaft, sagt sie. Sie erlaubt mir zu bleiben und ich nehme Platz. Noch zwanzig Minuten sind übrig. Ich hatte schon ganz vergessen, wie militant die Sprache dieses Films ist! Der Reporter redet hier nicht von „Sportlern“ oder „Teams“, sondern oft genug von „Streitkräften“.

Leider gibt es keine Abschlussdiskussion, wie ich es mir erhofft hatte. Der Unterricht ist wegen des Umfangs des Films bereits um 20 Minuten überzogen worden. Dabei hätte mich die Meinung der Zuschauer wirklich interessiert. Das sei aber kein Problem, sagt Kumano-sensei. Ich solle mich per E-Mail melden, und früher oder später werde der Kurs sich zu einem abschließenden Umtrunk treffen (als ob es die normalste Sache der Welt wäre, dass man am Ende des Semesters zusammen einen heben geht – ach, ich bin ja in Japan…). Da könne man das nachholen, sagt sie. Aber so groß ist mein Interesse dann auch nicht, dass ich den Kurs ausgerechnet bei der Abschlussfeier stören möchte.

Wir gehen noch in ihr Büro und unterhalten uns ein bisschen über verschiedene Dinge. Sie hat eigentlich frz. Literatur studiert, und man sieht das auch an der Ausstattung ihres Büros. Viele frz. Bücher stehen in den Regalen rum. Sie sei dann über Literaturverfilmungen und Kino zur Medienwissenschaft gekommen.

Ihr wichtigster Punkt im Laufe des knapp einstündigen Gesprächs ist allerdings das Nachlassen der allgemeinen Höflichkeit in Japan. Oha! Ich sperre die Ohren auf. Nach ihrer Meinung greift der Egoismus immer mehr um sich und färbt auf die Umgangsformen ab. Mehr und mehr (jungen) Leuten ginge die Fähigkeit, die Bedürfnisse und Meinungen anderer in das eigene Denken mit einzubeziehen, verloren. Ich wage schließlich den Vergleich mit Deutschland – der durchschnittliche Deutsche ist international nicht für seine höflichen Umgangsformen und bedachten Ausdrucksweisen bekannt.

Ich interpretiere, dass Japan eine sehr hohe Stufe an (zur Schau getragener) Höflichkeit besitzt, was sich vor allem in der Sprache niederschlägt, dass sich hinter dieser Fassade jedoch ein relativ hohler Körper befindet. In Deutschland dagegen scheint mir eine allgemein zwar niedrige, aber dafür stabile Höflichkeit vorzuherrschen. Deutsche Umgangsformen scheinen rau und abweisend zu sein, aber bis zum Kern der Person ist es, anders als in Japan, nicht weit und man findet sehr herzliche Menschen vor. Man kann in Japan schnell oberflächliche Bekanntschaften schließen, aber die Distanziertheit der Japaner ist größer als die von Deutschen. Man muss recht weit gehen, um hinter die Fassade blicken zu können. Deutsche haben kaum Fassade. Sie reden frei heraus und treten dabei schon mal jemandem auf die Füße. Aber ich bin kein Sozialwissenschaftler und habe nichts zu dem Thema gelesen, also kann ich nur von meiner persönlichen Wahrnehmung sprechen.

Schließlich ist es an der Zeit, in die Halle zu gehen, um Mei zu treffen, und auch Kumano-sensei möchte was essen. Ich verabschiede mich also. Ich bin ein paar Minuten zu früh in der Halle, also mache ich ein paar Hausaufgaben. Um 14:30 bin ich bereits ziemlich sicher, dass sie nicht mehr auftauchen wird, aber ich mache mit den Hausaufgaben weiter und verlasse die Halle erst um 15:30 wieder. Ich habe das Gefühl, dass meine Keigo Klausur (über japanische Höflichkeitssprache) voll in die Hosen gehen wird.

Ich gehe Richtung Bibliothek und nehme dabei bewusst den Umweg durch ein paar Lehrsäle. Und der Expedition ist Erfolg beschieden: Pünktlich zum Versiegen meines alten finde ich einen neuen Kugelschreiber, mit 75 % Füllung in der Mine. Und nicht nur das. Das Radiergummi kann ich auch brauchen, nachdem mein altes verschwunden ist, das Mathe- und das Biologiebuch lege ich auf das Pult, damit man sie sofort findet, das private Notizbuch und die Handschuhe nehme ich mit, um sie im Fundbüro abzugeben. Aber mein Gedächtnis ist kurz und ich habe den Krempel immer noch in meinem Rucksack, als ich schließlich nach Hause gehe…

In der Bibliothek schreibe ich dann noch ein Stück Text zum 31.Dezember und verfasse außerdem sechs Seiten meiner Hausarbeit. Das ist bereits doppelt so viel wie maximal verlangt, aber leider bin ich mit meinen Darlegungen noch nicht ganz fertig. Vor allem fehlt der Schluss ja noch.

Hausaufgaben und Tagebuch halten mich bis 01:00 wach. Und in fünf Stunden und dreißig Minuten darf ich schon wieder aufstehen. Ich glaube, Tagebücher sind nur für Workaholics. Und eigentlich bin ich gar keiner.

27. Januar 2024

Dienstag, 27.01.2004 – Arbeitsentlastung

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Wegen der Schneemassen, die heute Morgen vom Himmel fallen, wird der Gang zur Uni wieder zur Rutschpartie, aber im Gegensatz zu Melanie schaffe ich es, ohne Bodenkontakt anzukommen.

Der Unterricht läuft wie immer vor sich hin und in unserem Buddhismus-Seminar erfahren wir, dass es eine Abschlussklausur und eine Hausarbeit geben wird. Aber Prof. Philips sagt, dass ihm zwei bis drei gründlich durchdachte Seiten völlig genügen würden. Das ist doch was… denn wenn ich meine Kommentare zusammenfasse, die ich in den letzten Wochen über das Thema niedergeschrieben habe, kann ich damit schon ein kleines Buch füllen, und den Rest kann ich dann noch mit der Beschreibung der grundlegenden Begriffe auffüllen. Ich glaube, ich lasse die Lebensdaten von Siddharta Gautama und meine Kommentare zu seinem Leben einfach weg, dann passt das schon. Meine einzige Sorge ist wieder der Schluss der Arbeit. Ich muss ja zu einer Art Schlussfolgerung kommen, oder überhaupt eine Art Schlusskommentar verfassen. Aber da fällt mir wohl schon noch was ein.

Wegen technischer Grundsatzfragen besuche ich Philips nach dem Unterricht in seinem Büro und schaffe es tatsächlich, zwei Stunden zu bleiben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich das „Betriebsverhältnis“ etwas geölt habe. Philips redet gerne über Afrika, er kommt eher früher als später auf dieses Thema und ich muss nur eine oder zwei Fragen stellen, um Geschichten aus Nigeria zu hören und seine Homepage vorgeführt zu bekommen, auf der man unter anderem eine Bildergalerie vorfindet. Auf diesen Bildern sieht man einen wesentlich jüngeren Prof. Philips, mit Farbe im Haar und ohne Bürobauch, auf seiner Expedition in Westafrika. Ich muss allerdings kein Interesse an der Geschichte und den Kulturen Afrikas heucheln, falls das jemand meint. Ich interessiere mich tatsächlich, wenn auch relativ oberflächlich, für diese Dinge.

Außerdem war er in der Lage, mir ein afrikanisches Restaurant zu empfehlen, für das ich noch nicht einmal nach Tokyo fahren muss. Das Restaurant befindet sich in Akita, und man serviert dort – ich höre die Witze bis nach Japan – äthiopische Küche. Jetzt kann ich äthiopische Küche natürlich überhaupt nicht von nigerianischer unterscheiden (von der ich nur weiß, dass sie sehr fleischhaltig sein soll, wie mein nigerianischer Bekannter Bede sagt), aber ich möchte es mir nicht entgehen lassen, afrikanisch zu essen. Mal sehen, wann ich nach Akita komme.

Danach gehe ich in die Bibliothek, sehe nach meiner Post und schreibe an meiner Hausarbeit. Das Animetric Forum versorge ich mit einer Sammlung von japanischen Zähleinheitsbegriffen, und bei E-Bay werden zwei weitere Artikel eingestellt.

Ich komme relativ spät nach Hause und natürlich habe ich beim Einkaufen wieder die Mandarinen vergessen. Trotz des daher „akuten Vitaminmangels“ genieße ich das Essen, das Melanie gekocht hat. Fleischröllchen mit… Füllung. Fast eine Art Roulade. Leider erweisen sich die Pilze in der Füllung als ein wenig zäh… man kann sie natürlich essen, allerdings ich glaube nicht, dass es geplant ist, dass man die Dinger beim ersten Bissen komplett mit rauszieht. Aber der Gesamtgeschmack ist sehr gut. Das möchte ich noch einmal essen. Ich habe allerdings keine Ahnung, was man mit diesen Pilzen machen muss, damit man sie auf Anhieb abbeißen kann.

Wir können uns endlich… nein: Ich kann mir endlich die Bôbobo Episode von der letzten Woche ansehen (Melanie bekommt davon eher innere Blutungen), und die Serie erweist sich weiterhin als unterhaltsamer Nonsens – schon beinahe Nihilismus. In der Serie wird dauernd gekämpft (nach einem Muster, wie man es in DragonBall schon gesehen haben mag: der Held zieht von einem Gegner zum nächsten), aber die Figuren machen so viel Unsinn nebenher, dass überhaupt keine Spannung darüber aufkommt, wie denn der Kampf ausgehen könnte. Man vergisst ihn beinahe vollkommen. Aber Bôbobo hat für mich andere Qualitäten, es ist gerade das Chaos in der Handlung (Handlung?), das den Reiz für mich ausmacht.
Hey, und morgen erscheint der offizielle Soundtrack! Das heißt, das Titel- und das Endlied, natürlich auf getrennten Singles für jeweils 1000 Yen. Dann muss ich ja bei nächster Gelegenheit gleich mal einkaufen gehen.

26. Januar 2024

Montag, 26.01.2004 – Eine Unachtsamkeit

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Der heutige Tag bringt uns eine Ladung Schnee ins Haus. Nach Hirosaki, heißt das, also nicht wörtlich nehmen bitte. Binnen kurzer Zeit fallen dreißig Zentimeter Neuschnee, bevor eine Pause eintritt. Trotzdem fahren auch weiterhin einige Irre mit dem Rad in der Gegend herum, darunter Misi und SangSu. Ich frage mich, was Misi beim Radfahren so treibt, er sieht bei seiner Ankunft im Center immer aus, als sei er 10 km gerannt, und nicht nur knappe zwei Kilometer mit dem Rad gefahren. SangSu sieht auch nie so mitgenommen aus.

Yamazaki-sensei kündigt an, die A3-Klausur über alles schreiben zu lassen, was bisher behandelt wurde. Alle Vokabeln, alle Satzstrukturen, alle Kanji. Das kann ja heiter werden. Ich hätte lieber zwei kurze Arbeiten geschrieben, statt einer großen. Dann habe ich ja noch ein paar Tage Zeit, das alles zu wiederholen.

Ich gehe in die Bibliothek, wo mir Kazu über den Weg läuft. Sie bittet mich, ihr bei kleineren grammatikalischen Problemen zu helfen, die sie mit dem Deutschunterricht hat. Natürlich machen ihr die Artikel zu schaffen. Wer ist auch auf die glorreiche Idee gekommen, im Deutschen männliche, weibliche und neutrale Artikel einzuführen?

Ich gehe im Anschluss zur Post, um ein paar verkaufte Bücher zu verschicken und überprüfe meinen Kontostand bei der hiesigen Postbank. Der Betrag für das Gas ist wie gewünscht abgebucht worden, und der Strom wird noch dazu kommen. Ich sollte also jeden Monat etwa 12000 Yen einzahlen, um meine laufenden Kosten bestreiten zu können. 8000 Yen davon entfallen auf das Gas. Das scheint viel zu sein, aber wir „arbeiten“ auch zu zweit daran, während die Studentin, die vorher in unserem Apartment gewohnt hat, alleine eine Rechnung von 7000 pro Monat auf die Beine gestellt hat – möglicherweise hatte sie den Boiler immer auf „Standby“, also die kleine Flamme immer an. Also will ich mich nicht beschweren. Außer über den Umstand, dass es vermutlich billiger wäre, das Wasser mit Strom zu heizen, anstatt mit Gas.

Zurück in der Bibliothek beginne ich, Quellen für meine Hausarbeit zu sammeln und frage mich, wie ich 15 Seiten voll bekommen soll. Oh, natürlich mag Frau Prof. Gössmann da einwenden, dass ich damit wohl kein Problem haben dürfte, aber für die Hausarbeit über Ôe Kenzaburô hatte ich ein mehr oder minder konkretes Konzept im Hinterkopf. Das Konzept fehlt mir für die Arbeit, die Vesterhoven haben möchte, derzeit völlig. Ich beschließe, erst einmal die Arbeit zu erledigen, die schnell von der Hand geht – die Hausarbeit über Buddhismus für Prof. Phillips. Ich habe mir so viele Gedanken über das seltsame Zeug gemacht, dass man daraus doch bestimmt eine Hausarbeit basteln kann, vor allem, weil diese Hausarbeit auch nicht schrecklich lang sein muss. Aber wie üblich bin ich nicht davon überzeugt, dass mein Schreibstil mir sehr viele Freunde auf der akademischen Schiene machen wird, zumal ich hier ein Essay nach angloamerikanischem Muster schreiben muss. Ich hatte für formalisiertes Schreiben noch nie viel übrig.

Am Abend hat Melanie eine Überraschung parat, die niemandem in der gleichen Situation sonderlich schmecken würde. Sie vermeidet den Kontakt mit ihrem Mentor gerne, weil sie gezwungen ist, mit diesem über kompliziertere Angelegenheiten als den täglichen Speiseplan oder Grammatik auf Japanisch zu sprechen. Einen deutsch sprechenden Mentor zu haben (wie ich), macht das Leben leichter. Melanie hat es gegen meinen Rat, sich frühzeitig um Informationen über die Zuschussgelder zu bemühen, unterlassen, sich deswegen mit „ihrem“ Professor zusammenzusetzen. Ich habe am Morgen bereits die Mitteilung über das Auslaufen der Meldefrist in meinem Postfach im Sekretariat gefunden, nachdem ich einige Zeit, eigentlich seit dem 22.12., nicht mehr hineingesehen hatte. Die Meldefrist ist am 21.01. ausgelaufen. In meinem Fall ging es bei dem Zuschuss um knapp 5000 Yen, aber Melanie hat ein höherwertiges Stipendium. Ihre Versäumnis könnte sie 13000 Yen kosten – etwa 85 E, wenn der Professor nicht ein paar Augen zudrückt. Weitere Kommentare sind überflüssig. Aber ich habe ja selbst erst im letzten Moment die Kurve gekriegt, worüber mich also aufregen?

21. Januar 2024

Mittwoch, 21.01.2004 – Bücher vom Sponsor

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute ist Mittwoch, da ist unser Literaturseminar bei Vesterhoven angesagt, aber ich habe „Aghwee the Sky Monster“ von Ôe Kenzaburô noch nicht zu Ende gelesen. Ich hole die letzten drei Seiten am Morgen nach. Melanie geht bereits um 08:10 aus dem Haus, ich folge 15 Minuten später – wegen des Lesens. Aber das war zu knapp. In einer Viertelstunde zur Uni schaffe ich bei normalen Straßenbedingungen, aber derzeit ist der Bürgersteig mit Schnee und Eis bedeckt, und ich komme zwei Minuten zu spät.

In unserem heutigen Japanischkurs unterhalten wir uns über unsere Eindrücke von Ärzten, Krankenhäusern und dem ganzen Drumherum. Chen, der am wenigsten verpeilte Doktor, meint, er sei nach seiner Ankunft in Japan ganz überrascht davon gewesen, wie freundlich die japanischen Ärzte mit ihren Patienten umgingen. In China sei das ganz anders und die Ärzte und Krankenschwestern gingen mit den Patienten recht „streng“ um. „Wie können Sie es wagen, krank zu werden und damit der volkseigenen Volkswirtschaft zu schaden!“ war mein stiller Gedanke. Tei, der Programmierer, lacht laut und sagt „Chen muss es wissen – er ist selber ein chinesischer Arzt!“ Chen wedelt darauf abwehrend mit den Händen und meint „Nein, nein! Ich bin ein freundlicher Arzt!
Es wurde herzlich gelacht an diesem Morgen.

Eine Mail von Prof. Fuhrt macht mir in der Pause zwischen dem Sprachkurs und dem Literaturseminar kurz und bündig klar, dass ich bis morgen Mittag 12 Uhr Zeit hätte, meine Wunschliste an Material bei ihm abzugeben, die ich mir im Wert von knapp 5000 Yen zusammenstellen konnte. Natürlich habe ich die Ankündigung bereits vor Wochen erhalten, aber ich habe zwischenzeitlich nicht mehr daran gedacht. Ich marschiere umgehend ins Daiei und finde schnell, was ich suche: Den SHARP PW 9100. Es handelt sich dabei um eines jener elektronischen Kanjilexika, von denen jeder, der Japanologie studiert, eines haben sollte. Es passt in jede Jackentasche und ist definitiv leichter als der Hadamitzky oder der Nelson, die doch ein paar Kilo auf die Wage bringen.

Nachdem ich die Ankündigung damals erhalten hatte, hatte ich auf der Homepage von SHARP nachgesehen, was diese Dinger eigentlich kosten und fand dort Preise von mehr als 40.000 Yen vor. Das liegt völlig jenseits meiner „taktischen“ Möglichkeiten und ist deutlich mehr, als die 15.000 bis 20.000 Yen, die mir Ricci in Aussicht gestellt hatte. Jetzt stehe ich im Daiei und finde wieder einmal bestätigt, dass einmal selbst sehen besser ist, als auf 100 Leute zu hören. Die Seite von SHARP ist längst nicht mehr aktuell, und ich muss annehmen, dass die Werbeseiten für die einzelnen Geräte kurz nach der Veröffentlichung bereits nicht mehr aktualisiert werden, so dass überall nur der Preis steht, den das Lexikon bei seiner Erstveröffentlichung gekostet hat. Hier im Kaufhaus finde ich Preise bis 20.000 Yen. Und das ist bereits das Nachfolgemodell PW 9800. Da stecken mehr Wörterbücher drin als in dem älteren Modell. Es handelt sich allerdings um einen Angebotspreis. Ich beschließe, lieber noch einmal Rücksprache zu halten, weil 20.000 Yen ja die maximale Förderung von 5000 Yen überschreiten und wie das zu handhaben sei.

Prof. Fuhrt erklärt mir daraufhin, wie die Sache in der Praxis läuft: Man schreibt nicht etwa eine Liste, erhält Geld, kauft die Artikel auf der Wunschliste und legt dann die Quittungen vor. Nein, nein, man schreibt seine Wunschliste, reicht sie ein und das „Seikyo“ (das ist der in die Uni integrierte Laden für Studentenbedarf neben der Mensa) besorgt dann das Material zu dem günstigsten Preis, für den die Vertragspartner dieses Geschäftes es anbieten, wenn überhaupt. Zuzüglich der Gewinnspanne, die für das Unternehmen abfallen sollte. Den Angebotspreis kann ich also vergessen. Der PW 9100 kostet im Angebot derzeit 15.000 Yen, nach Ablauf der Angebotsfrist wieder 22.000. Das heißt, der Zuschuss von 5000 Yen würde nicht einmal den Mehrpreis ausgleichen. Prof. Fuhrt empfiehlt mir, dann lieber bei dem Angebot im Daiei zuzugreifen (und den Kanjitank ganz aus eigener Tasche zu zahlen) und für die 5000 Yen lieber ein paar Bücher besorgen zu lassen, die ich vielleicht schon eine Zeit lang im Auge habe. Ich denke auch darüber nach, einen Memorystick, den es im Seikyo zu kaufen gibt, auf die Liste zu schreiben, aber das Ding hat bei einem Preis von 4500 Yen nur eine Kapazität von 64 MB, und das ist mir zu wenig. Ich möchte schon 256 MB haben, aber die kosten in diesem Laden auch so um die 9000 Yen und mehr. Dann also Bücher. Ich habe eine laaaange Liste von Büchern, die mich interessieren, aber die meisten haben nichts mit meinem Studium zu tun. Ich gehe die Liste durch und entscheide mich für zwei Bücher. Zum einen „Krieg dem Terror – Krieg dem Islam?“ von Peter Scholl-Latour, ein dickes Buch mit Hardcover, das mir bisher ein wenig zu teuer war, und, um meinem Studienfach gerecht zu werden, eine Art Biografie (?) mit dem Titel „Herrscher im Reich der Aufgehenden Sonne“ von P. & S. Seagrave. Damit überschreite ich die 5000 Yen zwar ein wenig, aber das sollte verkraftbar sein. Ich bin auch gespannt, wie gut das laufen wird, wenn die Typen vom Seikyo mir diese Bücher in deutscher Sprache besorgen sollen.

Statt in die Bibliothek gehe ich dann ins Center, und wie es der Zufall will, sitzt Misi gerade am richtigen Rechner. Ich zeige ihm das Demo von „Combat Mission Afrika Korps“ und es gefällt ihm. Ich komme deshalb auf die Idee, mir von Karl eine Kopie des Spiels schicken zu lassen, um die „Gemeinde“ zu vergrößern. Ich würde damit die CM Gemeinde nach Ungarn ausweiten, nachdem bisher nur Karl, Mihel und meine Wenigkeit zu den mehr oder minder aktiven Spielern gehören. Andreas will ich mal ausklammern. J

Um 14:20 wollte ich eigentlich Yui treffen, wegen meiner Bankgeschäfte. Aber sie hat es offenbar vergessen. Und das wird auf theatralische Art und Weise deutlich. Um 14:18 stehe ich am Fenster zum Hauptplatz und sehe Yui mit (Kobayashi) Mio aus der Mensa kommen. Aha, dann wird sie ja gleich antanzen. Ja, von wegen, die beiden biegen vor der Tür nach links ab und verlassen die Bühne ruhigen Schrittes, ohne das Gebäude, in dem ich mich befinde, zu betreten. „Theatralisch“ ist das deshalb, weil ich mir vorkomme wie in einer Slapstick-Komödie.

Um unser Bratöl zu entsorgen, besorge ich alte Zeitungen aus einem Altpapierstapel. Sie sollen das Öl aufsaugen und anschließend im Brennbaren Müll landen. Ich nehme also einen Stapel Zeitungen mit – und vergesse ihn im Center, als ich um 17:30 in die Bibliothek wechsele. Ich verspüre wenig Motivation, jetzt noch mit einem Bericht anzufangen, also überprüfe ich nur noch mein Konto bei E-Bay, um zu sehen, was meine Verkäufe so machen, dann mein Bankkonto, um zu sehen, ob inzwischen noch mal jemand seine Ware bezahlt hat und letztendlich auch die beiden Foren, in denen ich neuerdings Mitglied bin: Animetric und Battlefront.com.

Ich merke allerdings, dass ich zu dem Combat Mission Forum auf Battlefront.com nicht viel beisteuern werde. Der größte Teil der Gespräche dort interessiert mich nicht genug, um auch was dazu beitragen zu wollen. Außerdem suche ich in erster Linie Leute, die gute After Action Reports schreiben, und ganz besonders lieb wäre es mir, wenn ich jemanden finden könnte, der einen Bericht über meine Karte „Gersheim“ schreiben könnte. Ich stelle eine entsprechende Anfrage ins das Forum und warte ab, was daraus wird.[1]
Animetric dagegen bietet mir als allgemeines Anime Forum mehr Interessenfelder und ich glaube, dass ich dort Stammgast bleiben werde.

Mir stürzt hier gerade zum ersten Mal ein „Windows 2000“ Rechner ab. Ich wundere mich. Das habe ich noch nicht erlebt. Ich wechsele vorsichtshalber den Rechner.

Auf dem Weg nach Hause „ergötze“ ich mich am Wetter. Es taut nicht einfach nur – nein, es regnet. Nicht stark, aber spürbar. Ganz toll ist das.


[1]   Rien.

17. Januar 2024

Samstag, 17.01.2004 – Spaziergang

Filed under: Japan,Musik,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Strahlend blauer Himmel und frühlingshafte Temperaturen – was bedeutet das? Ich erlebe gerade die siebte Schneeschmelze seit Dezember letzten Jahres. Das Tropfwasser von den Dächern kann man schon in Litern pro Minute messen, der Schnee auf dem Bürgersteig ist so aufgeweicht, dass man nur noch an schattigen Stellen in Gefahr läuft, auszurutschen, und auf der Fahrbahn ist bestenfalls noch Schneematsch zu finden. Winter in Hirosaki kommt mir vor wie mancher April in Deutschland. Aber darüber habe ich mich ja bereits ausgelassen. Und mein Ölhändler hat mir bereits mitgeteilt, dass der schneereichste Monat immer noch der Februar sei. Danach gehe es beständig bergauf. Im Februar, soso… also genau dann, wenn Ricci und Ronald hier antanzen wollen. Ich glaube, aus Melanies „Kultour-Planungen“ wird nicht viel, wenn das eintritt, was man mir erzählt. Andererseits ist von all dem anderen Zeug, das man mir erzählt hat, auch nicht viel eingetreten.

Ich würde liebend gerne etwas brauchbares über die heutige SailorMoon Episode sagen, aber leider gibt es nicht viel darüber zu sagen. Es handelt sich um eine Leerlaufepisode ohne viel Handlung, und die bedeutendste Handlung dürfte sein, dass Minako bis auf weiteres die Stadt verlässt und meint: „Die schaffen das schon“. Wirklich, da war nicht mehr, was ich für erwähnenswert halten würde. Auf Genvid.com kann man Zusammenfassungen in englischer Sprache lesen, wenn man das möchte.

In der Bibliothek werden heute die Computer gewartet und sind dem Publikumsverkehr nicht zugänglich, also keine Berichte heute. Stattdessen immer noch „Oberschülerausstellung“ in der Mensa. Die Kôkôsei bevölkern noch immer zu Hunderten den Campus, die Mensa wurde mit einem „Welcome“ Schild verziert. Ich mache zwei Fotos von der Masse. Und eigentlich könnte ich bei der Gelegenheit auch was essen. Angeblich sind die Ramen hier nicht schlecht. Und wo ich schon mal da bin, könnte ich auch mal damit anfangen, die Vokabeln für die Abschlussklausur zu lernen.
Der Organisationsgrad in der Mensa ist mal wieder ein klassischer Fall japanischer Ordnung. Auf den Tischen stehen Pappschilder mit den Namen der Schulen. Als ob es zu Schlägereien kommen würde, wenn Leute von verschiedenen Schulen am selben Tisch sitzen. Dabei setzen sich Leute, die sich kennen, ganz automatisch zusammen, auch ohne Hinweisschild, und eine Masse von identischen Uniformen wirkt doch geradezu magnetisch auf andere, die die gleiche tragen. Zumindest denke ich das.
Ich esse meine (recht gute) Nudelsuppe und überprüfe Einträge in meinem Notizbuch auf ihre Aktualität. Und zuletzt bediene ich mich noch großzügig aus einer Obstkiste, die offenbar zur freien Verfügung auf einem der Tische rumsteht.

Ich bewege mich wieder in Richtung Heimat, aber am „Circle K“ fasse ich den Plan, in Richtung Westen weiterzugehen (also „nach links abzubiegen“), um den nächsten Daily Yamazaki Konbini aufzusuchen. Das Wetter ist gut und ich bin in Laune für einen Spaziergang. In Tokyo gab es im Daily Yamazaki kleine Modelle von deutschen Panzern aus dem Zweiten Weltkrieg zu kaufen, also warum nicht auch hier?

Der gesuchte 24h-Markt liegt dann aber doch weiter weg, als ich dachte, und das gesuchte Spielzeug finde ich auch nicht. Na hurra. Jetzt kann ich auch noch die letzten 500 m bis zum Book Off gehen. Dort kaufe ich dann zwei weitere Storyboard Bücher von „Shin Seiki Evangelion“, Band 4 und 5, die jeweils einige Episoden aus der TV Serie abdecken. Band 5 beinhaltet die letzten vier oder fünf Episoden. Die Bücher kosten jeweils etwa 7,50 E. Das erste davon, mit Bleistiftskizzen der Filme, habe ich für 40 E verkauft. Warum sollte ich also die hier nicht für 20 E oder mehr loswerden? Außerdem lachen mich ein paar CDs an. Ich kaufe „Punch the Monkey“, eine Sammlung von Remixes des „Lupin III.“ Soundtracks[1], den Utena OST „Virtual Star Hasseigaku“ („Hasseigaku“ bedeutet „Embryologie“ und ich habe keine Ahnung, was ich aus dem Titel machen soll), die Alben „Irâvatî“ und „Enfleurage“ von Hayashibara Megumi, und Beethovens Achte – dirigiert von Karajan, gespielt von den Berliner Philharmonikern, aufgenommen in Deutschland, und der Japanexport aus der „Berliner Grammophon“ Reihe „Karajan Gold“. Billiger als für 7 E kriege ich die in diesem Zustand auch in Deutschland nicht.

In diesem Zusammenhang fällt mir eine weitere Klassiksammlung auf: Bachs gesammelte Werke, Teil 1 bis 6. Es handelt sich dabei um sechs Kartons jeweils von der Größe eines großen Wörterbuchs, u.a. deutsch beschriftet (wie könnte es anders sein), um die Namen der einzelnen Stücke anzugeben. Jedes Paket kostet 3000 Yen, also etwa 22 E, und von der Größe ausgehend, nehme ich an, dass da mehr drin ist, als einfach nur eine CD mit einem Booklet mit Erläuterungen. Ich interessiere mich allerdings zu wenig für Bach, um sechsmal 22 E dafür zahlen zu wollen. Mit Beethoven oder Wagner wäre das was anderes, aber auch der Blick in meinen Geldbeutel sagt mir, dass ab sofort bis zur nächsten Geldvergabe am 23. Januar Ausgabesperre zu herrschen hat. Der Ausflug nach Tokyo hat das existierende Polster völlig aufgezehrt.

Es stellt sich dann auch heraus, dass auch diese CDs keine Fehlkäufe waren. Vor allem der Utena Soundtrack ist, dank der Stimme von Kamiya Maki, der Überflieger der letzten Wochen. Die Lieder können Dauerschleife laufen und dabei austesten, was die teuren Panasonic Akkus so herhalten: Man kann damit sechs Stunden Musik abspielen, bevor ihnen der Saft ausgeht. Das finde ich sehr positiv.


[1] Der Autor des „Lupin“ Manga nennt sich „Monkey Punch“.

16. Januar 2024

Freitag, 16.01.2004 – Prüfungstag

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute finden an der Universität breitangelegte Prüfungen statt, mit denen ich aber nicht viel zu tun habe. Es handelt sich um die Eingangsprüfungen der Hirosaki Daigaku. Das bedeutet, dass Hunderte von Oberschülern herkommen, um sich auf ihre „HiroDai Eignung“ prüfen zu lassen, und die Prüfungen dauern ein paar Tage, wie mir scheint. Das ganze Wochenende? Ich gehe also nur zur Universität, um meine Berichte zu schreiben. Immerhin erreiche ich heute die Marke vom 23.12., das Gros des Besuchs in Tokyo steht noch bevor.

Um 17:20 sehe ich BiRei an einem der Arbeitsplätze ohne Computer und schaue mal vorbei. Sie liest einen vom Umschlag her sehr schmalzig anmutenden Liebesroman. Meine Güte, warum liest sie das? Weil ihr schmalzige Liebesgeschichten gefallen, sagt sie. Na denn.

Um 17:40 wollte ich eigentlich nach Hause gehen, aber wie so oft stolpere ich kurz davor im Internet über diverse Artikel, deren Auffinden ich, äh, gewissermaßen provoziert habe. Es handelt sich um Abhandlungen über Taktiken für das Spiel „Combat Mission“. Die müssen also erst einmal gespeichert werden. Und weil ich in der „Gegend“ bin, erzählt mir die Hauptseite von Battlefront.com gleich auch das allerbeste vom Tage: Von „Combat Mission“ gibt es inzwischen einen dritten Teil, „Combat Mission Afrika Corps“ (kurz CMAK).
Der erste Teil („Beyond Overlord“) deckte die Kampagnen im Westen vom Tag der Landung in der Normandie im Juni 1944 bis zu Kapitulation im Mai 1945 ab, der zweite Teil („From Barbarossa to Berlin“) behandelte die Ostfront im Zeitraum vom Einmarsch in die Sowjetunion bis ebenfalls zum Zusammenbruch im Mai 1945, während der dritte Teil sowohl die Kämpfe in Nordafrika von Tripolis bis nach El Alamein und zurück nach Tunis, als auch die gewagte und blutige deutsche Landung auf Kreta und die Schlachten nach der alliierten Invasion Italiens bis zur „Gotenlinie“ zum Thema hat.
Uh ja, das muss ich haben. Aber der Preis liegt derzeit bei 35 Dollar, und bei E-Bay wird das Spiel für 25 E und mehr gehandelt. Nee, nee. Ich habe Zeit. Bis ich in der Lage bin, mir das Spiel kaufen zu können, wird der Preis wohl deutlich unter 20 E gefallen sein. „Beyond Overlord“ wird inzwischen auch schon für 5 E gehandelt, etwa zwei oder drei Jahre nach seinem Erscheinen.

Jedenfalls halte ich mich mit derlei Dingen bis 19:00 auf. Melanie nimmt mir „Doraemon auf, für Atashi’n’chi bin ich früh genug zuhause. Entgegen unserem eigentlichen Plan sehen wir uns um acht Uhr nicht Oku-sama wa Mahôjin an. Es handelt sich dabei um die japanische Version von „Bewitched in New York, wo sich ein Geschäftsmann plötzlich mit einer sympathischen Hexe als Ehefrau und einer widerspenstigen Schwiegermutter aus demselben Metier gesegnet sieht. Der Untertitel lautet auch schon Bewitched in Tokyo. Also, das Konzept ist seit Bezaubernde Jeannie ja schon nicht mehr originell, spätestens. Wir entscheiden uns für Kaze no Tani no Nausicaä. Es sollte schwer sein, diese Wahl zu bereuen, da Studio Ghibli immer ein Garant für gehaltvolle Unterhaltung ist. Wir verpassen dann eben die ersten 20 min von „Skyhigh 2.

Wir haben für Skyhigh bereits vor Wochen Werbung gesehen, und wir gingen damals davon aus, dass es sich um einen Film handele. Aber wir haben nach der Werbung nie wieder was davon gehört, und auch eine gründliche Untersuchung der TV-Zeitschrift lieferte keine Beweise, dass er jemals ausgestrahlt worden war. Die Werbung zeigte ein dunkles Steintor in einer finsteren Umgebung, Schwertkämpfe und versprach Spannung. Aber die Sendung blieb unauffindbar. Jetzt haben wir ab heute also Skyhigh 2. Es handelt sich hierbei um eine Serie. Trotz einiger Verständnisschwierigkeiten ist es relativ einfach, der Handlung zu folgen. Man bemerkt die Manga-Grundlage. Zunächst einmal ist da Izuko. Sie ist die Wächterin des Tores zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten. Und wie es scheint, geht es um Seelen, die entweder noch was zu tun haben, oder aus einem anderen Grund hier vor dem Tor eine Entscheidung treffen müssen. (Die Seite Jdorama.com wird mir später verraten, dass es sich um das Tor des Hasses handelt, wo alle Leute Zwischenstation machen, die auf nicht natürliche Art und Weise umgekommen sind und nun Gelegenheit erhalten, es dem Schuldigen heimzuzahlen.)

Heute stehen vier Personen vor dem Tor. Ein alter Mann, eine Art Gangster, und zwei kleine Mädchen im Vorschulalter. Alle haben gemeinsam, dass sie bei einem Busunglück ums Leben gekommen sind. Natürlich wissen die Leute erst einmal nicht, dass sie tot sind. Daraufhin legt ihnen Izuko die Umstände ihres Todes dar und warum sie hier sind. Es stellt sich heraus, dass der Busfahrer alkoholisiert war und wegen dieser Sache auch nicht viel Reue zeigt. Der alte Mann ist bereits Witwer, der Gangster lässt auch niemanden zurück, an dem ihm viel liegt, aber die Eltern der beiden Mädchen sind – gelinde gesagt – entsetzt und befinden sich in einem entsprechend verzweifelten Zustand. Der Vater versucht sogar, den Busfahrer zu töten, schafft es aber nicht.

Während die beiden Mädchen vor dem Tor mit Wachsstiften munter vor sich hin malen, stellt Izuko die beiden Männer vor die Auswahlmöglichkeiten, die sich ihnen bieten:
Erstens können sie einfach beschließen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und in den Himmel gehen. Das bedeutet in dem hier gegebenen Kontext, dass sie sich auf die Wiedergeburt vorbereiten können.
Zweitens können sie als Geister bis in alle Ewigkeit auf der Erde wandeln.
Drittens können sie sich für „Noroi Korosu“ entscheiden. „Noroi“ ist ein Wort, dass man in der Horrorabteilung von Videotheken hier häufig findet. Es heißt wohl „verflucht“. „Korosu“ heißt „töten“. Im Klartext bedeutet es, dass die Geister der Toten die Möglichkeit bekommen, die Person zu töten, die für ihren Tod verantwortlich ist – das wäre im heutigen Fall der Busfahrer. Diese Option führt allerdings unweigerlich in die Hölle. Deswegen „noroi“.
Jetzt mag man darüber streiten, warum der Lebenswandel offenbar unwesentlich für Himmel oder Hölle ist – der Gangster war bestimmt kein „ehrbarer Bürger“ im Sinne einer vertretbaren Ethik und Moral. Es kommt anscheinend nur darauf an, wie man sich hier vor dem Tor entscheidet. Ob dann alle, die auf natürliche Art und Weise sterben, unweigerlich in den Himmel kommen, wird nicht gesagt, oder zumindest hätte ich es nicht verstanden.

Der Gangster entscheidet sich dazu, in einem wenig überzeugenden Weihnachtsmannkostüm während einer Art Vorführung in dem Kindergarten der beiden Mädchen zu erscheinen und den Eltern und Kindern die Bilder zu bringen, die die beiden Mädchen vor dem Tor gemalt haben. Es scheint übrigens so, dass dieser Kindergarten eine Art Schnittstelle ist. Jeder, der von dem Tor kommt, um die Umstände nach seinem Ableben zu untersuchen, taucht, unsichtbar, in diesem Kindergarten auf. Nur einer der Jungen dort kann die Personen sehen (der junge Schauspieler ist derjenige, der zuletzt Daigorô, den Sohn des Ronin Ogami gespielt hat), und ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis man ihn in eine Klapsmühle einliefert, weil er dauernd Leute sieht, die offenbar nicht da sind.

Der alte Mann währenddessen erscheint in der Zelle, wo der Busfahrer seine Untersuchungshaft verbringt, und verteilt ihn an der Wand. Der Gangster steigt mit den beiden Mädchen an der Hand die Treppe zum Himmel hoch. Der alte Mann erscheint nicht mehr, man kann also nur stark vermuten, dass er die Treppe in die andere Richtung nehmen muss. Was umso trauriger ist, weil er sich, wie ich später lese, eigentlich auf ein Wiedersehen mit seiner Frau gefreut hat, die im Himmel auf ihn wartet.

Das ist auch etwas, was ich mir weiter ansehen werde. Die Geschichten sind interessant und spannend, und außerdem sieht Shaku Yumiko (Izuko) gut aus, ihre Ausstrahlung allgemein scheint mir wie gemacht für diese Rolle. Ich würde sie sofort für die Rolle der SailorPluto vorschlagen. Die melancholische Aura kann sie gut rüberbringen.

13. Januar 2024

Dienstag, 13.01.2004 – Rien ne va plus?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Für heute ist Regen gemeldet, mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 %. Stattdessen scheint am Morgen die Sonne. Wir gehen zum Unterricht. Aber der Gong verhallt scheinbar ungehört. Außer Melanie und mir befinden sich im Raum nur drei Chinesen, das sind der Programmierer und zwei der drei verwirrten Doktoren. Na gut, Chen, der dritte Doktor, ist weniger verwirrt. Aber abwesend. Das heißt, dass etwa zehn Leute fehlen. Zu allem Überfluss fehlt uns aber auch der Lehrer. Ich gehe ins Center und frage Kubota-sensei. Er sagt, er habe Yamazaki-sensei heute morgen schon beim Kopieren gesehen. Wir warten noch bis um 09:00, die Chinesen sind bereits vor zehn Minuten gegangen. Ich gehe noch einmal ins Center und frage, wo Yamazaki-sensei sein Büro habe. Der habe keines, heißt es. Außerdem sei heute Unterricht wie an Montagen angesetzt. Aha. Das hätte er mir ruhig schon vor 15 Minuten sagen können… ist mir völlig entfallen.

Dann habe ich also erst um 1240 Unterricht und noch Zeit für dies und das. Unter anderem kann ich meine Post vom letzten Wochenende bearbeiten. Meinen Plan, meine Fotos vom Dezember an Karl zu mailen, gebe ich mangels Motivation angesichts der Bilderzahl auf. Ich muss wegen der Begrenzung der Mailgröße jedes Bild einzeln verschicken, und das ist mir einfach zu zeitraubend. Ich werde mich in dieser Hinsicht einfach auf die CD verlassen, die ich selbst hier bereits gebrannt habe. Ich schreibe Karl eine entsprechende Nachricht und will erst wieder Bilder schicken, die im Januar gemacht wurden. Falls es davon überhaupt welche geben wird – Ronald hat mir mein Kabel noch nicht geschickt. Die Plastikschüssel, die ich ebenfalls habe liegen lassen, hat eh nur 100 Yen gekostet, die kann er ruhig behalten, aber ich brauche mein Kabel, sonst kann ich keine Fotos machen. Ich musste schon hinnehmen, dass ich keine Fotos von dem Neujahrsessen bei Familie Jin machen konnte… wer weiß, was ich sonst noch verpasse.

Ich gehe zum Unterricht. Und da sitzen Melanie, Sushanan, Yong, eine Koreanerin, deren Namen ich mir noch nicht gemerkt habe, und meine Wenigkeit. Da fehlen immer noch einige Leute. Und vor allem: Wo sind die Chinesen abgeblieben? Wir warten. Nicht auf die Chinesen, sondern auf den Lehrer. Der erscheint nämlich ebenfalls nicht. Nach zehn Minuten gehe ich wieder einmal ins Center, um zu fragen, was denn heute hier eigentlich laufe. Saitô-san ist da. Ich versuche ihr klar zu machen, was ich will. Und ich bin noch nicht fertig mit meinem unstrukturierten Redefluss, als Yong mich von der Tür her ruft. Ist Yamazaki-sensei aufgetaucht? Ich lasse Saitô-san stehen, die mich jetzt wahrscheinlich für endgültig bekloppt hält, bei dem seltsamen Zeug, das ich da von mir gegeben habe. Ich bedanke mich für ihre Zeit und gehe nach draußen zu Yong. Sie zeigt mir einen Anschlag am Schwarzen Brett, in DIN A3 Format, auf dem groß zu lesen ist, dass der A3 Unterricht heute komplett ausfalle. Die Hauptinformation ist sogar mit einem Filzstift markiert worden. Peinlich, peinlich. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Dann habe ich ja heute richtig viel Zeit. Ich gehe in die Bibliothek, schreibe drei Berichte und starte meine beiden japanischen Mailadressen, „otokorashii42317“ bei Yahoo und „kurosamurai“ bei Hotmail. Letztere Adresse wurde mir freundlicherweise von Hiroyuki eingerichtet, der hier eine angenehme Eigeninitiative an den Tag legte, obwohl sie nicht notwendig gewesen wäre. Ich habe in einem meiner letzten Berichte erwähnt, dass ich eine japanische Adresse brauchte und er hat auf diese Art und Weise reagiert. Leider ein paar Stunden zu spät, da ich bis dahin bereits die Yahoo Adresse gestartet hatte. Aber was soll’s… dann hat er seine höchstpersönliche Kontaktadresse zu mir. Nebenbei schaffe ich es auch, alle Mails zu schreiben, in denen ich irgendwelche Fragen beantwortet haben wollte, die mir in den letzten Wochen so eingefallen sind. Bis jetzt musste ich das immer wieder verschieben.

Um etwa 19:30 gehe ich nach Hause. Nieselregen. Und der geht nach 20 Minuten in Schnee über. Immerhin war dann die Wettervorhersage nicht falsch – es hat bestimmt 30 Minuten lang geregnet heute, bevor es zu schneien begonnen hat.

Eigentlich wollte ich unseren Kerosinvorrat wieder auffüllen, aber es scheint, dass der Laden um 19:00 zu macht, also bin ich zu spät dran und muss es morgen wieder versuchen. Ich kaufe daher nur einen neuen Sack Reis und ansonsten Getränke und Nori im BenyMart. Ich will nicht viel essen heute Abend, also mache ich nur ein Go Reis für mich alleine, Melanie hält sich an die Instant Ramen. Um 22:00 beschließe ich, dass ich allmählich ins Bett gehen könnte, aber vorerst hindern mich daran das Geschirr und dieser Eintrag. Im Normalfall dauern diese Tätigkeiten am Ende des Tages etwa eine Stunde, aber ich will auch den Brief noch lesen, den meine Mutter mir geschrieben hat. Beantworten kann ich ihn ja später.

11. Januar 2024

Sonntag, 11.01.2004 – SMAPurai

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Wegen der in den letzten beiden Tagen rapide gesunkenen Temperaturen (nachts, heißt das) säuft unser Ofen mehr Öl als gewöhnlich. Die Tagestemperaturen sind in Ordnung, aber nachts kühlt es sehr ab und der Ofen braucht eine Zeitlang, bis er das Zimmer auf Temperatur gebracht hat. Er läuft zwei Stunden lang in Dauerschleife. Sobald er sich bei 24 Grad wieder ausschaltet, sinkt die Temperatur, und der Ventilator, der die warme Luft aus dem Ofen pustet, ist noch nicht ausgelaufen, bis die Temperatur wieder auf die untere Grenze von 21 Grad gesunken ist, und die Flamme wird aufs Neue entzündet. Ich lasse also in den kommenden Tagen den Ofen nachts auf 12 Grad heizen, um dem Auskühlungseffekt entgegenzuarbeiten. Vielleicht spare ich dadurch Material.[1] Aber auch sonst ist heute ein echter Wintertag. Kräftiger Wind mit teils sehr starken Böen treibt den Schnee übers Land, und davon nicht zu wenig. Es schneit den ganzen Tag, bis etwa um 22:00, dann erst ist wieder Ruhe. Aber bis dahin liegen schon 40 cm Neuschnee auf unserem Balkon.

Ich muss mich heute um einige Lesearbeit kümmern, die ich vernachlässigt habe. Schrecklich viel ist es nicht. Was mich viel mehr wurmt, ist der Arbeitsauftrag, einen wissenschaftlich vertretbaren Text jeweils über Uhren und über Universitäten zu schreiben, jeweils etwa eine Seite lang. Das Ganze muss natürlich in japanischem Essaystil verfasst werden, und die Japaner (vertreten durch Yamazaki-sensei) sind da sehr penibel. Ich muss quasi für jede zweite Zeile ins Lehrbuch schauen, ob ich mich auch an die vorgeschriebene Reihenfolge von Argumentation und Untermauerung gehalten habe… ich könnte diesen ganzen formalistischen Krempel auf den Mond schießen! Der Leseteil meiner Arbeit besteht u.a. aus der „Diamantenen Sutra“, natürlich buddhistischer Natur. In den Pausen lese ich Teile eines „Combat Mission“ After Action Reports, also die schriftliche Darlegung eines Schlachtverlaufs, gespielt mit dem Strategiespiel „Combat Mission“. Die ersten Kapitel sind jeweils die Aufstellungsphasen der Spieler, welche Truppen sie warum wohin gestellt haben, und es ist lustig zu lesen, wie sich die beiden Gegner gegenseitig abwägen und zum Teil völlig aneinander vorbei denken. Das Spiel dürfte also einige Überraschungen parat halten, für beide. Und natürlich für mich als Leser.

Um 20:00 startet ein neues Samurai TV-Drama, „Shinsengumi“ heißt es, und das Besondere daran ist, dass Katori Shingo eine der Hauptrollen besetzt. Katori Shingo ist Mitglied der Band SMAP, und sieht eigentlich eher wie ein Milchbubi aus, und nicht wie jemand, der als Samurai überzeugend wirkt. Und Shingo hat nicht etwa eine Hauptrolle – er hat die Hauptrolle. Es geht wohl um zwei Freunde, die 1854 die erzwungene Öffnung Japans erleben und auch begrüßen, aber wohl völlig verschiedene Auffassungen von der Art und Weise der weiteren Entwicklung haben. Ich interpretiere, dass einer der beiden in zehn Jahren für das Shogunat und der andere für die „Reformer“ arbeiten wird, die letztendlich den Sieg davontragen. Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Ausflug ins Jahr 1864 und ich glaube, dass sich die beiden Freunde zu diesem Zeitpunkt als Feinde gegenüberstehen. Aber ich kann mich auch irren. Ich werde mir weitere Episoden ansehen, um sicherzugehen. Auch wenn Katori Shingo wirklich nicht überzeugend wirkt. J

Schließlich sehen wir den zweiten Teil von „Jurassic Park“ im Fernsehen – nur um wieder die ewig gleichen Synchronstimmen zu hören. Ich bin es so richtig satt, diesen Mist zu hören, aber ich nicht vor, einen Stereovideorekorder zu kaufen, nur, um auf O-Ton umschalten zu können.


[1]   Das Haus verfügte über keinerlei Isolation, da nutzte auch Minimalheizen nichts

19. Dezember 2023

Freitag, 19.12.2003 – Heimatland, schönes Land?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Als ich nach dem Aufstehen den Wasserhahn aufdrehe, kommt nichts raus. Aha. Dann haben sie in der Parallelstraße wahrscheinlich wieder die Wasserleitung in Arbeit. Dann schreibe ich den Hausaufgabentext eben vor dem Duschen, so das Wasser zurückkehren sollte, bevor ich zur Uni muss. Ich drücke mich heute wirklich seltsam aus. Oder kommt mir das nur so vor? Was ist los? Ich weiß es nicht… ich muss immer so schreiben, wie es mir in den Sinn kommt, alles andere gefällt mir tags darauf (da! Schon wieder so ein Begriff!) schon nicht mehr.

Ja, das Wasser. Nein, eben nicht das Wasser, sondern der Fisch…, nein, mein Text. (Eine Stunde nach dem ersten Versuch haben wir wieder Wasser.) Ich muss also noch einen Text (für den Kurs von Ogasawara-sensei) entwerfen… zu lange aufgeschoben habe ich das ganze schon. Und schreiben tue ich schon wie Yoda. Sei’s drum. Auf jeden Fall stehe ich rechtzeitig auf, um noch meinen Text schreiben zu können. Wir sollen einen kurzen Vortrag halten, und zwar über unsere Heimatstädte, im Unterricht von Ogasawara-sensei. Genau. Ja, das wäre bei mir dann wohl Gersheim. Aber über Gersheim gibt es auf den ersten Blick zumindest nicht sehr viel zu erzählen. Da muss ich ein paar Minuten nachdenken… ich greife ausweichend zu meinem Stück Leinen, auf das ja noch etwas eingestickt werden soll, oder besser: es fehlen noch zwei Drittel von dem Werk. Ich sticke also weiter drauflos, um mich von meinem Gersheim-Vortrag abzulenken.

Ich stelle dabei fest, dass es gar nicht so schrecklich einfach ist, auf einem quadratischen Grundmuster einen runden Buchstaben hinzubekommen… aber für jemanden, der das noch nie in seinem Leben gemacht hat und zwei Minuten braucht, bis der vermaledeite Faden endlich in dem Öhr ist, habe ich meine Aufgabe gar nicht schlecht gemacht. Ein paar Koordinationsfehler sind leider sehr offensichtlich, aber ich bin im Großen und Ganzen zufrieden damit. Das wird mein „Bild des Tages“ am Tag des Abgabetermins. Und der ist, wenn ich mich recht erinnere, am 15. Januar.

Aber dann hat mich mein Text wieder. Ich mache eine Stichwortsammlung, und hoffe, dass ich alle Vokabeln noch auftreiben kann. Damit die Angelegenheit nicht zu kurz wird, integriere ich noch ein paar Dinge, die nicht direkt im Ort sind, sondern auch ein Stück weg, sofern zu Fuß erreichbar. Was haben wir denn… ich stelle fest: ich weiß noch nicht mal, wie alt der Ort ist. Ich sage einfach mal 800 Jahre.1 Erstens wird das keiner in der Klasse überprüfen und nach dem Unterricht haben es alle wieder vergessen. Als nächstes gibt es Orchideen bei uns. Ja, das wird gut ankommen. Wir haben ein Kalkwerk, und man findet versteinerte Fossilien auf dem Feld. Hui, die Vokabel ist vielleicht zu bissig… das lasse ich unter den Tisch fallen. Die Vokabel für „Naturschutzgebiet“ reicht mir schon zu Genüge. In weiterer Entfernung haben wir die römische Villa bei Reinheim (ich schließe das großzügig in Gersheim mit ein), das Keltengrab an gleicher Stelle, und natürlich muss ich den kurzen Fußweg bis nach Frankreich ansprechen – da staunen nämlich die Asiaten immer alle und finden das ganz toll, dass ich zu Fuß und ohne Grenzkontrollen nach Frankreich gehen und dort frz. Waren kaufen kann, einfach so, mal schnell vor dem Frühstück und eigentlich immer, wann mir danach ist. Dass mir eigentlich noch nie danach gewesen ist und ich die nahe frz. Grenze als etwas Alltägliches und etwas wenig aufregendes betrachte, wollen Menschen aus Asien nicht recht verstehen.
Ja, aber ihr Chinesen, ihr habt die Große Mauer – und ihr Japaner, ihr habt den Ise-Schrein!
Ach so, ja, das…
Scheinbar ist die Indifferenz gegenüber kulturellen Gegebenheiten nur eine Frage der Gewohnheit.

Wenn ich in Deutschland von zuhause aus ein paar Kilometer weit gehe oder fahre, gehe ich an Jahrhunderten von Geschichte vorbei, ohne, dass es mir sonderlich auffallen würde. Kirchen! Was sind denn schon Kirchen? Wer braucht Kirchen, mein Gott… (ja, genau der braucht die!), aber wenn ich in Hirosaki durch die Stadt gehe, fällt mir jeder Schrein ins Auge, als habe er eine Neonreklame ausgehängt. Das heißt, es sind wohl die markanten roten Tore, die mich optisch anspringen. Um Himmels Willen, ein kultureller Monolog entfaltet sich. Nicht heute.

Der Vortrag wird auch gar nicht schlecht. Es ist der einzige, der von Fragen seitens der Zuhörer, und nicht von Vokabelkorrekturen seitens der Lehrerin beendet wird. Manzoku da ne.

Danach gehe ich in die Bibliothek und schreibe meine Post. Und ich stelle erst jetzt fest, dass ich meine beiden Uhren zuhause vergessen habe. Also muss ich die Zeit abschätzen. Nicht, dass ich auch jemanden hätte fragen können… auf jeden Fall sorgt das Missgeschick vom Morgen dafür, dass ich eine Stunde zu früh zuhause bin. Schon um halb sieben. Macht nichts, dann kann ich ja den „Doraemon“ Film ansehen, der für heute im Programm steht. Inklusive Werbung dauert der Film zwei Stunden, und dann habe ich immer noch bequem Zeit zum Einkaufen, da mein Supermarkt ja jeden Tag bis um 21:45 geöffnet hat. Das wird mir in Deutschland fehlen.

1 Erste urkundliche Erwähnung findet der Ort um 1150 als „Geroldesheim“.

15. Dezember 2023

Montag, 15.12.2003 – Kein Ende in Sicht?

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uncategorized,Uni — 42317 @ 7:00

Am Morgen passiert mir das Missgeschick, dass ich während des Unterrichts angerufen werde. Ich habe vergessen, das Telefon abzuschalten und Yui hat den Tag verpeilt. Sie dachte, ich hätte erst später Unterricht. Sie möchte mich treffen, damit ich ihren „Arbeitsnachweis“ unterschreiben kann. Dieser Unfall ist mir natürlich peinlich und bringt mich derart aus dem Konzept, dass ich dem Unterricht nur noch schwer folgen kann. Aber es wäre mir noch peinlicher gewesen, wenn nicht Yamazaki-sensei selbst hin und wieder C-Mails auch während der Unterrichtszeit bekommen würde.

Misi meint zu mir, wir sollten es am Freitag noch einmal mit dem Tabehôdai versuchen. Ich habe nichts dagegen, aber ich werde nichts selbst organisieren, bevor ich nicht die entsprechende Liste mit Mailadressen zusammen habe. Des weiteren muss ich meine Kamera mal wieder leer machen, und mein Porträt muss ich auch noch einscannen, damit ich es zum gegebenen Zeitpunkt als „Bild des Tages“ versenden kann. Aber die Rechner im Center sind dauerbelegt, also verziehe ich mich in die Bibliothek.

Am Abend sehe ich mir die letzte Folge der aktuellen Staffel von „Ogami“ an. Der präsentierte Schluss ist so offen wie mein Mund während des Abspanns. Ogami trifft auf seinen Erzfeind, mäht eine Hundertschaft von dessen Leuten mit dem Schwert nieder, wird schließlich schwer verwundet und sticht seinem Gegner das Katana einige Zentimeter tief ins linke Auge. Der Böse wird daraufhin von seiner treusten Gefolgsfrau (hübsch, aber irre) gerettet und vom Schlachtfeld entfernt. Ogami bricht zusammen und sein kleiner Sohn pflegt seine Wunden am Fluss. Kurz darauf ist er wieder unterwegs, mit seinem Sohn und seiner Schiebekarre. Das ist kein Ende.

Danach läuft ein Special von Tai Ginseng, ein zweistündiger Film, plus etwa eine Stunde Werbepausen. Der Film ist deutlich besser aufgebaut als die Serie, und es treten Charaktere aus alten Staffeln auf (gealtert!). Natürlich fehlt mir da der Wiedererkennungseffekt. Lustig ist vor allem die Einblendung alter Szenenschnipsel, denen man ansieht, dass sie aus dem Archiv stammen, und dass sie gefärbt wurden – die Serie war ja bis 1993 schwarzweiß. Wenn sich der alte Herr an die Person erinnert, die ihm gerade wieder über den Weg gelaufen ist, wird eine solche alte Szene eingespielt.

Aber generell ist auch der Film eine unfreiwillige Lachnummer, weil einfach zu viel von der Handlung an den Haaren herbeigezogen wird. Mindestens zweimal z.B. taucht der Herkules in ausweglosen Situationen aus dem Nichts auf und rettet alle: Da werden zum Beispiel der Alte und seine Begleiter über einen Fluss getragen. Im Wasser lauern Attentäter. Plötzlich sieht man den Herkules tauchen und er entfernt das Problem. Woher er auch immer wusste, dass da zwei Shinobi im Wasser planschen. Oder: Der Alte und seine Begleiter werden über den nächsten Fluss gerudert. Der Fährmann setzt sich plötzlich mitsamt den Rudern ab und die Gruppe in dem Boot gleitet auf einen großen Strudel zu. Plötzlich ist der Herkules da mit einem zweiten Boot und wirft einen Enterhaken herüber, mit dessen Seil er die anderen aus der Gefahrenzone zieht. Ich habe einmal gehört, dass auch Captain Harlock hin und wieder solche Aktionen in Serien von Reiji Matsumoto bringe, in denen er ursprünglich gar nichts zu suchen hat.

Das hat natürlich wieder Zeit gekostet, und die Arbeit muss nachher erledigt werden. Um 01:10 kann ich den Tag endlich beenden.

11. Dezember 2023

Donnerstag, 11.12.2003 – Roadrunner

Filed under: Japan,My Life,Uni,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Ein sonniger Morgen, kein Schnee über Nacht. Aber es ist dennoch ziemlich kühl. Von dem gefallenen Schnee ist nur noch etwas auf den Dächern und ein paar Flecken auf dem Rasen übrig. Und morgen soll es regnen. Mal wieder.

Leider verschätze ich mich in der Zeit, die ich zum Rasieren brauche und werde erst um 0740 fertig. Dann also schnell den Reis in die dafür vorgesehene Körperöffnung stopfen und los geht’s, um 08:20. Das reicht bei den herrschenden Bodenverhältnissen zu Fuß gerade so, um pünktlich zu sein, wenn man ein bisschen Gas gibt. Die Straßen sind frei, aber auf den Bürgersteigen liegt noch Eis. Es ist allerdings kein festes Eis, es ist gebrochen und sehr körnig. Man kann also beinahe normal darauf laufen. Da wir spät dran sind, will ich mich beeilen, aber pro 100 Meter, die ich zurücklege, fällt Melanie 20 Meter zurück. Vom Boden her wäre es wirklich möglich, etwas schneller zu gehen, als sie das tut. Aber sie kann natürlich nichts dafür – es pflügt nicht jeder so durch die Gegend wie ich. Aber ich will nicht zu spät kommen und ziehe auf den letzten 500 Metern davon. Sie wird mir das übel nehmen, das weiß ich. Aber ich kann nicht spazieren gehen oder alle paar Meter stehen bleiben, um zu warten, wenn ich weiß, dass ich mich eigentlich beeilen sollte. Ich kann dann nicht langsam machen… das macht mich ganz zappelig und meine Laune wird ungenießbar. In dem Fall muss ich also abwägen, ob ich lieber ihre oder lieber meine Laune in den Keller trete. Heute steht meine Entscheidung fest. Ja, vielleicht ist das nicht nett. Ich habe aber was dagegen, zu spät zu kommen, vor allem, wenn es sich noch vermeiden lässt. Wir sind doch kein einheitlicher Organismus – es ist immer noch jeder in erster Linie für sich selbst verantwortlich.

Ich bin etwa eine Minute vor ihr da. Ich vor dem Gong, sie danach. „Danke, dass Du auf mich gewartet hast!
Ja, sie nimmt mir das übel. „Ja, keine Ursache.
Die Situation juckt mich jetzt gerade wenig.
Sie setzt sich in die übernächste Reihe hinter mir. Oha, symbolischer Abstand. Mach nur.

Nach dem Kanjitest, noch während des Unterrichts, sehe ich, dass sie eifrig ihr Tagebuch benutzt – sie wird einen entsprechenden Eintrag zu meinem unsozialen Verhalten schreiben… als ob ich je behauptet hätte, sozial zu sein…
Und weil ich ein gutes Gedächtnis für solcherlei Dinge habe, fällt mir in diesem Moment ein Tag im Oktober ein, an dem ich mich tödlich über die hiesigen Unterrichtsverfahren aufgeregt habe, und um genau zu sein, war es der 15. Oktober. Der „Born to kill?“ Eintrag war das. An dem Tag habe ich noch während des Unterrichts meine Meinung schriftlich festgehalten und wurde deswegen von ihr vorwurfsvoll getadelt:
Pass gefälligst auf und schreib nicht in Dein blödes Tagebuch!
Würde ich nicht gerade im Unterricht sitzen, würde ich angesichts dieser paradoxen Situation laut lachen.
Sic transit gloria mundis!

Am Ende der Stunde erzählt uns Yamazaki-sensei, dass sich nächste Woche der Stundenplan geringfügig ändere. Wegen der vielen ausgefallenen Montage sei eine Umstellung beschlossen worden. Ich glaube, der Unterricht am Donnerstag wird durch einen „Montagsstundenplan“ ersetzt. Genau verstanden habe ich die Angelegenheit nicht, aber es gibt Leute, die ich deswegen befragen kann.

Der Unterricht von Sawada-sensei beschäftigt sich heute mit Kogin-Stickerei. Es handelt sich dabei um eine Kunstform in Tsugaru, die aus dem Verbot (während der Edo-Periode) entstanden ist, dass Bauern keine Kleidung aus Baumwolle, sondern nur aus Leinen tragen durften. Leinen ist nicht dafür bekannt, dass man daraus warme Kleidung machen kann, und wenn man im Süden wohnt, dann mag das nicht allzu schlimm sein, aber hier oben sieht die Sache anders aus. Es gab allerdings kein Gesetz, dass den Bauern die Verwendung von Baumwollfäden verboten hätte. Die Frauen von Tsugaru stickten also Baumwollfäden in die Leinenkleider ihrer Familien, um sie über den Winter zu bringen. Und zwar so viel davon, dass man das Leinen darunter kam noch erkennen, sondern nur noch stellenweise erahnen konnte. Wenn man ein Auge für solche Dinge hat, kann man in den erhaltenen Kleidern (und auch in neuen Handarbeiten aus Heimproduktion) sehr schöne Muster finden.

Die Aufgabe für heute: 5 x 15 cm2 Leinen selbst besticken. Ich soll sticken??? Na wunderbar. Ich brauche ja schon eine ewige Zeit, um den vermaledeiten Faden überhaupt durch das Nadelöhr zu pressen. Und wie soll das jetzt laufen? Ich verstehe die Arbeitsanweisung nicht, weil hier Bewegungsabläufe beschrieben werden, unter denen ich mir nichts vorstellen kann. Dr. „Dragon“ Chen kommt damit auch nicht wirklich klar.
Wenn Du das gut machst, überlege ich mir, ob ich mich von Dir operieren lasse“, sagt Sawada-sensei schmunzelnd.
Einen Blinddarm zu entfernen ist viel leichter als das hier!“ sagt Chen. Und während ich noch an der Vorlage herumrätsele, nach der wir das Muster eingeben sollen, sieht sie sich noch einmal seine Arbeit an und meint: „Ich glaube, ich lasse mich lieber nicht von Dir zunähen…

Natürlich machen hier alle Scherze über die Bemühungen der weniger Begabten. Chen bringt auf Anhieb nichts zustande, ich habe nach einer Stunde endlich die Grundlinie fertig (und es werden Fotos von meinem hochkonzentriert anmutenden Gesicht gemacht), und SangSu stickt ein arg abstraktes Bild von seinem Hund in das Stück Leinen. „Der ist weggelaufen, bevor ich nach Japan gekommen bin,“ sagt er, „und ich hoffe, dass er dadurch wieder zurückkommt.“ Und dann plappert er wieder drauf los, von seinem Hund, und davon, wie man Kitahara-sensei eine besondere Freude machen könnte, indem man „K.K.“ (für Kitahara Kanako) in das Leinen stickt. Er sorgt für allgemeine Belustigung.

Am Ende der Stunde muss ich mein mühsam zusammengepuzzeltes Werk wieder lösen, weil ich mich bei der Reihenfolge der Einstichlöcher verzählt habe. Als Hausaufgabe sollen wir es für die nächste Stunde fertig haben. Ich kann mir wirklich angenehmere Beschäftigungen für meine Mußestunden vorstellen. Und die Vorlagen gehen mir auf den Senkel… warum soll ich hier unbedingt reproduzieren, was andere bereits gemacht haben? Aber nein, wir dürften auch gerne individuelle Muster entwerfen, wenn wir uns kreativ genug fühlten, sagt Sawada-sensei. Na, dann weiß ich natürlich binnen 30 Sekunden, was ich mit meinem Stück Leinen mache… nein, ich werde nichtHentaiman“, „Black Death“, „der Extreme“ oder „42317“ in das Leinen sticken. ?

Habe ich heute Yui vergessen? Ich bin nach dem Unterricht sofort in die Bibliothek gegangen, anstatt erst in der Halle vorbeizusehen. Ich glaube aber zumindest, dass sie nicht angerufen hat, um zu fragen, wo ich bleibe. Und ich glaube das nur, weil ich bei meiner Beschäftigung am Computer für gewöhnlich Kopfhörer trage und Musik höre. Keine Chance für das Telefon.

Als ich am Abend vom Einkaufen zurückkomme, findet sich eine lohnende Tätigkeit fürs Wochenende. Jin Eiko ruft mich an und bittet mich in einem für mich geradezu peinlich langsamem Japanisch, am Samstag auf eine kleine Party des „Hippo Family Clubs“ zu kommen, zusammen mit Melanie. Ich solle um 16:30 am „Dotemachi Square“ sein. Die Uni hat diese Feierlichkeit nicht angekündigt, also gehe ich diesmal von einem wirklich kleinen Rahmen aus, also Gastfamilien und die zugehörigen Studenten.

Am Abend läuft im Fernsehen (wieder) ein Bericht über die Situation in Peking. Alles, was ich verstehe, ist, dass sich eine Handvoll japanischer Austauschstudenten wohl irgendetwas ungebührliches geleistet hat, was die chinesischen Gemüter so sehr erregt, dass 2000 Leute (hauptsächlich Studenten, wie mir scheint) auf die Straße gehen und lauthals demonstrieren. „Apologize! Apologize!“ brüllen sie. Auf Englisch. Damit die internationale Presse das auch versteht. Sie tragen auch Transparente in englischer Sprache, auf denen Parolen wie „Japaner raus!“ zu lesen und japanfeindliche grafische Darstellungen zu sehen sind. So langsam interessiert mich, was da los ist. Haben die Jungs an eine Mao-Statue gepinkelt? Oder eine ausschweifende Orgie gefeiert (wie die japanischen Geschäftsleute in Shanghai, was dieser Tage ebenfalls in der „Japan Times“ zu lesen ist)? Ich werde Sawada-sensei fragen, sobald ich dazu komme.

Die TV-Zeitschrift beinhaltet in dieser Woche einen Extrabericht über den von mir bereits beschriebenen „Tai Ginseng“. Da ist zu lesen, dass die Serie bereits seit 1969 existiert, mittlerweile mit dem fünften Hauptdarsteller, und bis etwa 1993 wurde sie in Schwarzweiß gedreht!? 1000 Episoden gibt es davon inzwischen, und aus diesem Grund soll demnächst ein „Movie Special“ gezeigt werden. Ich frage mich, wie man dieses Konzept 1000 Episoden lang durchhalten kann. So viel Abwechslung kann es doch nicht geben… man müsste ja annähernd ebenso viele verschiedene Berufe auffahren, für die Leute, die gerettet werden sollen. Aus den Fängen gieriger Feudalherren. Gibt es davon eigentlich so viele? Immerhin sehe ich, dass andauernd Samurai gemaßregelt werden, die mindestens aus der „mittleren Führungsebene“ stammen, wie man sagen könnte. Die Position der gezeigten Gegner scheint mir jeweils in die „Top 5“ des jeweiligen Clans zu gehören. Wie viele gab es davon?

Übrigens ist die Ninja-Xena in dem Lack-Leder-Polyester-Dress bereits seit Anfang der Achtziger dabei (mindestens) und ist dieses Jahr 53 Jahre alt geworden. Sie dürfte damit das älteste Mitglied der Wandertruppe, dieser japanischen „Spezialisten unterwegs“ sein, denn der Hauptdarsteller ist deutlich jünger als sie. Sein Alter wird nicht angegeben, aber wenn man ihn ohne Schminke sieht, erkennt man ihn erst einmal nicht wieder und man würde ihn auf Mitte Dreißig schätzen.